OEI SOZHLBIBtlE iin
Monatsschrift des Voreins Sozialistischer Ärzte
Publikationsorgan der i.V. 3. A.
Geleitet von E. Simmel und Ewald Fabian
VII. Jahrgang Berlin, November 193t Nummer 11
Inhalt:
Di'C Aei ztekaininerwalil — sine ernste Mahnung / Die Rcgelun*’’ der
Beziehungen zwischen Aerzten und Ki'ankenkassen, Dr. Annemarie
Bieber / Zur Gründung der sozialistischen Aerzteintemationale,
ih Gruschka, A. Holitscher (Tschechoslowakei), I. Friediung
(Wien), E. F. (Berlin), Erklärung der ungarisdien Sektion / Einige
Bemerkungen zum Selo-Prozeß, Dr. Max Hodann / Weltwirtschafte-
krise und Alkoholbokämpfung, Dr. Arnold .Holitscher-Komotau /
Die Dsyoholngische Stellung des Arztes in der heutigen Gesellschaft.
JJr. B. 1 otis-Budapest / Internationale Konferenz für das Personal
das Gesundheitswesens in Bern, Paul Levy / Rundschau / Aus
der sozialistischen A e r z t e b e w e g u n g / Bücher
und Zeitschriften.
Fanaletten
Wz. gesch.
Codein. nhosDhor.. LactylDhcnetidin. DimethvlaniiiiODlici::.zon. Bröraisovalerianyhirea
O.-P. 10Tabl,zu0,5g RM-. 15
Seruhigend
Schmerzstillend
Schlaffördernd
Doppel-P, 20 Tabl. zu 0,5 g RM 1.50
Rheuma-.^nsito..
Leicht resorbierbare, überfettete Salicylsalbenseif e mit Kamofer. Menthol. Teroentinül.
Rheumatische, neuralgische Affektionen
Pleuritis, Lymphangitis
Sportschäden k »
V2Tubeca.26g RM*. 60
Proben und Literatur auf Wunsch
WohlrlechencI, «parsam.
Keine Hautschäden, keine Wäachefiecke.
Doppel-K.P.ViTube ca. 46g RM 1.15
ilTrtryng
Seit 30 Jahren
stark antiseptisch s Srztlleh Indizierte nicht reizend
Späten -Fabrik „NASSOVIA“, Berlin -Johannisthal
Neurasthenia
NACH GEHEIMRAT DR. MED. LAHUSEN
OKASA SILBER
fOr den Mann
OKASA GOLD
für die Frau
Als Aphrodlslaca seit
Jahren bewährt
NELf : OKAMEN
bei klimakterischen
Beschwerden
B
■‘er.
Wir bitten, kostenlose Versuchsmengen anzufordem
HORMO-PHARMAgU;, BERLINS 14
INTERNATIONAL
PSYCHOANALYTIC
UNIVERSITY
DIE PSYCHOANALYTISCHE UNiVERS^ITÄT IN BERLIN
VII. Jahrgang
• . !;•■
PublikQtlonsorgan dar I. V. S. A,
Q«leitaf von E. Simmel and Ewald Fabian
Berlin, November 1931
Nummertf
D 10 AcrzicIiäiTiin0rw2ihl 0in0 0rnst^
Mahnung
Bei Eedaktionsschluß geht uns das Eesultat der am 11; No- '
vember beendeten Aerztekammervrahl in Berlin zu. Der „Verein
Sozialistischer A e r z t e“, fern jedem Gruppenegoismus,
hatte beschlossen, alle Kräfte für die juhge freigewerk-
scüaft liehe Bewegung einzusetzen und zu ihren Gunsten auf'
eine eigene Liste zu verzichten. Wir waren der Ueberzeugung,
daß aux die^m Boden alle sozialistischen, Gruppen, ohne Unter-
schied der_Parteirichtung, sich zum ersten Mal hätten findOn
Können. Wir wollten ein einiges und geschlossenes Vorgehen
gegen den gemeinsamen Feind. Die allgemeine politische Situation
fordert stürmisch, mit jedem Tage mehr, eine solche Einheitsfront
der proletarischen Kräfte. In diesem Falle wurde sie von neuem
durch die „A r b e.i t s_g_e_m.e inschaft sozialdemokra-,
tischer Aerzte“ ipid durch KPD- Kollegen, die unter der
Jl agg e „Eadikäle Opposition“ seibstähdig vofgingeh, unmöglich
Die Beteiligung an der Wahl war ungewöhnlich stark. Unsere
freigewerkschaftliche Liste, die mit einem klaren ^
sozialistischen Programm und bewährten Kampfgenossen an der
Spitze zum ersten Male den Wahlkampf führte, erhielt als
stärkste linksoppositionelle Gruppe 257 Stimmen.
6 Genossinnen und Genossen:
Ernst Haase, L. K 1 a uh er , B run 0 Cohn, Minna
Flake, Annemarie Bieber, Max Hodann,
sowie 6 Stellvertreter: ^
JKarl Löwenthal, L. Wendriner,, Günther Wolf
Arthur Kronfeld, Alfred Döblin, Ernst Simmel’-
'wurden, in die Aerztekammer ent^ndt.
Die Liste zur „Erhaltung des freien Berufsstandes“ erhfelf;als ’
stärkste Fraktion 69 Mandate, die NazirAerz t;e, genannt j,Eund-
•der Heilberufe für soziale Erneuerung“, 17, Jimgärzte 10, As-i
sistenten 7, Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Aerzte 5, '
Ambülatoriumsärzte 3, EGO. 2..
alifen politischen Wahlen ist das hervorstechendste
Merkmal auch dieses Eesultats das i^wachsen der. hatiopa 1 -
Regelung der Beziehungen zwischen Aerzten und Krankenkassen
m
jLieioen
so.zia.lis tischen Gruppe, deren gemeingefährliches
wir: im „S o z. A r z t“ immer wieder beleuchtet haben. Trotzdem
haben sich die sozialistischen Aerzte angesichts dieser reaktio-
nären. Gefahr wiederum den Luxus geleistet, auf vier verschiede-
nen Listen in den Wahlkaicpf zu ziehen.
, . Die Freigewerkschaftler und der VSAe. als
stärkste Linksgruppe, werden weiter diese unmögliche Zersplitterung
allen sozialistischen Kollegen aufzeigen und zur Sammlung auf-
rufen. Der einheitliche Kampf gegen die faschisti-
sche Gefahr, für den Sozialismus, muß und wird auch
im Aerztelager, allen Hindernissen zum Trotz, die Parole des
Tages werden! ^
Aerztekammerwahlen im Reich.
In F r a n k f u r t a. M. erhielt die Liste des VSAe. 79 Stimmen.
GewäMt sind: Genossen Dr. Th. Plaut und Dr. Lotte Fink..
Im Regierungsbezirk Düsseldorf wurden für die
Liste des VSAe. 68 Stimmen abgegeben. Gewählt wurde Genosse
Hans Röttgen und als Stellvertreter Professor Selter.
/
zwisdien Aerzten und Krankenkassen
Von Dr. Annemarie Bieber.
Die Standesvereine in Berlin führten den Wahlkampf für die
Aerztekammer unter
Berufsstandes“.
der Parole: „Für Erhaltung des freien
„Ehe der Geist sich, der lebendigen Technik anpaßt, unterwirft er
sich zehnmal der Diktatur eines erstarrten Dogmas“, klagt Erik Reger,
uör Diktator d-Gs erstarrten Dogmas vorn alIeinseligniaoh*en-deii freien
Beruf!
Die Hauptversammlung des Hartmannbundes in Leipzig hat
einer Neuregelung der Verhältnisse von Aerzten und Kranken-
kassen zugestimmt, deren Wortlaut gedruckt vorliegt. Diese Neu-
regelung — deren endgültiges Schicksal noch ungewiß ist; einige
Kassenverbände, haben sie abgelehnt — wird als Fortschritt be-
grüßt und gepriesen, weil sie die freie Arztwahl für das ganze
R^ich festlege und die Selbstverwaltung des Standes, der ein
Disziplinarrecht gegen seine Mitglieder erhält und sie im kassen-
ärztlichen Dienst zu beaufsichtigen hat. Verträge 'sind nur noch
möglich von Organisation zu Organisation — also Koalitions-
zwaug! —
Dieses System
„läßt für die Beschränkung der Handlungsfreiheit des einzelnen Arztes
nur sol^e Gesetze gelten, die aus dem Primat der Gewissens-
p 1 1 1 c ht un d d e r.- w i 'S s e n,s eh af tl i ch e n ü e b e r z e u g u n g
lyom Verfasser hervor gehoben) abzuleiten sind“.
(Hae, „Aerztl. Mitt“, Nr. 43, 24. Oktober 1931, S'. 870.)
Regelung der Beziehungen zwischen Aerzten und Krankenkassen
„Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß das neue Ahkummen
geeignet ist, dem Kassenarzt die Bewegungsfreiheit zum großen Teil
zurückzugeben, die er zur Erfüllung seiner beruflichen Pflichten
■bedarf.“
(Hae. „Aerztl. Mitt.“, Nr, 44, 31. Oktober 1931, S. 899.)
Diesen Thesen Haes stelle man Nr. 11 und Nr. 10 unter A:
— Durchführung des Kassenarztdienstes — der Vereinbarungen
gegenüber.
A. 11 sieht einen Eegreßanspruch gegen Kassenärzteorganisa-
tionen und den einzelnen Kassenarzt wegen Ueberschreitung des
Durchschnitts seiner Gruppe bei Verordnungen von Arzneien vor.
Dieser Regreßanspruch ist bereits jetzt mehrfach in Berlin
angedroht, im Reich bereits gelegentlich erhoben worden.
In einem Fall handelt es sich darum, daß eine Kollegin den
Durchschnitt im wesentlichen dadurch überschritten hat, daß sie
eine erhebliche Anzahl endokriner Störungen zu behandeln hatte,
die nach dem Stande unserer Kenntnisse den Gebrauch von Organ-
präparaten erfordern. Daß in der Notzeit die Erschöpfungs-
erscheinungen des weiblichen Organismus sich zum großen Teil
in Menstruationsstörungen zu erkennen geben, ist uns ja aus den
Hungerjahren her bekannt. Auf demselben Gebiet dürfte die starke
Zunahme von Basedow- und Schilddrüsenerkrankungen anderer
Art uiui dexgleielien liegen. Es erscheint wohl möglich, daß diese
Störungen besonders die Praxis der weiblichen Aerzte belasten.
Daß die pharmazeutischen ' Fabriken gerade für die hierfür
erforderlichen Präparate fast wucherisch zu nennende Preise
nehmen, ist kein Geheimnis. Als Illustration diene z. B. die Tat-
sache, daß die Sächsischen Serumwerke in der Lage waren, den
Preis für Fontanona — ein Ovarialpräparat — um nahezu 50 Proz.
zu senken.
Wenn die Kollegin wirklich mit rund 3000 RM für das Jahr
1929 haftbar gemacht wird, so ist nicht einzusehen, wie sie in Zu-
kunft in der Lage sein soll, ihre Praxis nur unter dem „Primat
von Gewissenspflicht und wissenschaftlicher Ueberzeugung“ aus-
zuüben. Um sich nicht ruinieren zu lassen, wird sie den in Frage
kommenden Patientinnen die wirksamen Heilmittel versagen
müssen.
Doch Hae. sagt, dem Kassenarzt würde unter dem Primat von
Gewissenspflicht und wissenschaftlicher Ueberzeugung die Be-
wegungsfreiheit zum großen Teil zurückgegeben, die er zur Er-
füllung seiner beruflichen Pflichten bedarf!
Wenn nun, wie verlautet, Professoren, die im wesentlichen
die verelendete Bevölkerung nur klinisch und krankenhausmäßig
behandeln, der Meinung sind, Organpräparate würden zu viel ver-
schrieben und wären entbehrlich, weil unwirtschaftlich und nicht
genügend wirksam, und es ließe sich auf anderem Wege mehr
erreichen, so ist dem entgegenzuhalten, daß selbstverständlich
jeder Basedow, der aus seinem Milieu gerissen, einige Tage im
Krankei^aus ruhig im Bett liegt, sich ganz gewiß von selber
I
293
Regelung der Beziehungen zwischen Aerzten und Krankenkassen
bessert. Man kann aber unmöglich jede thyreotoxische Störung,
die die Arbeitsfähigkeit eines Patienten zwar beschränkt, nicht
aber aufhebt, ins Krankenhaus legen, was im übrigen auch durch
die neuen Bestimmungen sehr erschwert wird (s. Nr. 4). Daß in
solcEen und ähnlichen Fällen bei ambulanter Behandlung die ver-
schiedenen sehr teuren Organpräparate wirksam sind, bestätigen
auch Professoren und Erankenhausleiter durch die Tat, da sie in
ihrer Privatpraxis z. B. auf Antithyreoidin keineswegs verzichten.
Der Weg, hier „das Primat von Gewissenspflicht und wissen-
schaftlicher Ueberzeugung“ sicher zu stellen, ist nicht der Weg
des Regresses gegen, den Arzt und die durch die Neuregelung
erfolgte weitere Einengung — nicht Rückgabe, wie Hae. meint —
seiner Berufsfreiheit, sondern die Verminderung der Gewinne der
Apotheken und pharmazeutischen Fabriken auf ein vernünftiges
Maß. Daß Anstrengungen in dieser Richtung auch gemacht werden,
erweist die Tabelle der im Preis herabgesetzten Medikamente in
der Berliner Aerztekorrespondenz vom 7. November 1931. Daß die
Anstrengungen aber bisher noch zu keinem befriedigenden Er-
gebnis geführt haben, zeigt ein Beispiel eben dieser Tabelle, wo
ein Mittel, dessen Herstellungspreis 60 Pf. betragen soll, ’ von
2 RM Verkaufspreis auf 1,80 RM herabgesetzt worden ist. Also
beträgt — die Richtigkeit der Angaben vorausgesetzt — der Ver-
kaufspreis immer noch das Dreifache des Herstellungspreises was
mcher einen stark übertriebenen Gewinn für Fabrik und Zwischen-
handel darstellt.
Es ist klar, daß hier allgemein wirtschaftliche Probleme zu
lösen sind, auf die wir Aerzte keinen ausreichenden Einfluß haben.
DoQh müssen wir die Oeffentlichkeit immer wieder darauf hin-
Weisen und können vielleicht darauf hinwirken, daß ebenso gut
wie von uns, auch von Apotheken und Fabriken stärkere Rabatte
lur die Krankenversicherung erzielt werden.
_ Eine zweite Forderung müßte dahin gehen, daß gewisse Mittel
m ganz kleinen billigen Packungen zugänglich werden. Es ist
doch z. B. eine Verschwendung und ein Unfug, daß ein Patient,
der aus irgendeinem Grunde einmal Veronal braucht, 10 Tabletten
verschrieben erhalten muß, weil die kleinste Fabrikpackung zehn
labletten enthält.
Die Bestimmimg A. 10 ist auch nicht gerade geeignet, das
„Primat iTon Gewissenspflicht und wissenschaftlicher Ueber-
zeugung in der ärztlichen Behandlung sicherzustellen.
■ Na^h diesem Paragraphen ist eine Eassenärzteorganisation
berechtigt, die ärztlichen Sachleistungen, die unter das Pauschale
fallen, zu^ genehmigen. Die Kasse kann die getroffene Entschei-
uung nacmpruxen und eventl. durch einen Oberg utachter, der von
der Aerztekammer zu benennen ist, ablehnen lassen.
• Bestinmrang dafür getroffen, daß der Arzt sich gegen
eZ« ansoheinend als selbst-
verständlich vorausgesetzt, daß die Kasse nur ein Interesse hat
■■ . '■' ■,'■ ■ ' . ■ ■' , ■'
Regelung der Beziehungen zwischen Aerzten und Krankenkassen ■ . ' ' 29?
eine gewährte Sachleistung ablehnen zu lassen, nicht aber eine
abgelehnte ^chleistung zu gewähren, was unter Umständen zur
schnelleren Heilung des Patienten auch in ihrem Interesse läge.
Wenn z. B. — ein konkreter in der Praxis vorgekommener
von Höhensonne für ein schwer rachi-
tisches Kind, das Rekonvaleszent nach Mittelohrvereiterung ist
von der zuständigen Aerztekommission als „nicht den Richtlinien
entsprechend abgelehnt wird, so ist die Entscheidung nach der
vorliegenden Fassung von A. 10 für den Arzt und für die Kasse
in Zukunft inappellabel. .
So siehi .also die Berufsfreiheit des Kassenarztes nach der
Neuregelung aus. ■
T V System spannt die Gesamtverantwortung der kassenärzt-
hchen Gemednschaft ein. Es hält die Willkür des einzelnen ArzÄ
durch Organe der beruflichen Selhstverwaltung in Schranken.“
(Hae. „Acritl. Mitt.“, Nr. 43, 24. Oktober . 1931, S. 870.)
Und wo bleibt das Ideal der „Erhaltung des freien Berufes?“
Wenn der Hartmann-Bund meint, daß durch die getroffene
Bestimmung über die Selbstverwaltung infolge Ueberwachung und
Disziplinierung der Kassenärzte durch die Organisation selbst ein
ausreichender Schutz für den einzelnen Kn«ao7,QT..,<-
Bewegungsfreiheit geschaffen sei, so bestehen auch hiergegen be-
gründete Bedenken.
In einem Kassenstreitfall im Reicli besteht die ärztliche
Prüfungskommission, die zunächst einmal zuungunsten des Arztes
^tschieden hat und zugunsten der Kasse, aus zwei Aerzten, die
Hilfsvertrauensärzte der betreffenden Kasse sind. Der dritte Herr
^ der Schwiegersohn eines fest angestellten Vertrauensarztes.
Diese Kommission ist durch den Aerzteverein mit bestellt.
Wenn nun nach Nr. 6 auch noch die Kasse sich durch Aerzte
an dieser Prüfungskommission beteiligen kann, so gehört schon
ein sehr weltfremder Optimismus dazu, um diese Kommission als
eine objektive Behörde anzusehen.
Wenn in einer deutschen Großstadt die Aerztevertretung im
Zulassungsausschuß das Haupthindernis für die Zulassung eines
weiblichen Dermatologen ist, wo in genannter Großstadt noch
kein weiblicher Dermatologe für die zahlreichen weiblichen Haut-
kranken zugelassen ist, so ist auch da von Recht und Billigkeit
wohl kaum zu reden iind das jetzt leider häufig zutage tretende
Bestreben, gerade die weiblichen Aerzte zu benachteiligen, deutlich
erkennbar.
Wie Paragraphen und Entscheidungen hierbei gemißbraucht
werden, z. B. der Kriegsteilnehmerparagraph, ist nebenbei giotesk.
Auch die Reichsnotgemeinschaft hat offenbar nicht sehr viel
Zutrauen zur Objektivität der örtlichen Aerztevereine. Wenn die
Berichterstattung der „Berliner Aerztekorxespiondenz“ von dem
Vertrefertag der R. N. G. vom 24./2S. Oktober 1931 richtig ist, so
kündet die R. N. G. nach dem Referat von Cohn-Hülse schärfsten
298
Regelung der Beziehungen zwischen Aerzten und Krankenkassen
Kampf gegen solche örtlichen Aerzteverbände an, „die ohne aus-
reichenden wirtschaftlichen Grund neue Niederlassungen sabo-
tieren“. Es scheint dort also auch die Ansicht durchgedrungen
zu sein, daß nicht gerade alle Aerzteorganisationen sich einwand-
frei verhalten. Immerhin gibt Nr. 8 noch die Möglichkeit einer
Korrektur, Vonach eine Ergänzung für Regelung von Streitfällen
noch vorzusehen ist. Man sollte Vorsorge treffen, daß objektive
Juristen hier ausschlaggebend beteiligt werden.
Hae. „Aerztl. Mitt.“, Nr. 40, 3. Oktober 1931, S. 899, meint, daß
nun die Grundlage, die ruhige Verhältnisse schafft, gegeben sei.
Daß eine dauernde Beruhigung durch die ausnahmsweise Zu-
lassung,. wie sie geplant ist, erreicht werden kann, erscheint aus-
geschlossen. So wie die Dinge jetzt liegen, ist die eintretende Be-
ruhigung höchstens auf ganz kurze Frist zu schätzen. Immerhin
ein gewisses Resultat, aber keineswegs ein befriedigendes. Der
Kampf fängt bald wieder an. Die Zulassungsbedingungen sind ver-
knüpft mit der Begründung einer Planwirtschaft, die das Ver-
hältnis von Kassenmitgliedern zu Aerzten 600 zu 1 anstreben soll,
während die Verhältniszahl bisher 1000 zu 1 betragen sollte.
Nach den neuen Zulassung.sibestiiniiiungeii können in Arzt-
bezirken, in denen die Verhältniszahl 600 zu 1 nicht erreicht ist,
jährlich 10 vom Hundert der bereits vorhandenen Kassenärzte neu
eingestellt werden nach vorzugsweiser unbeschränkter Zulassung
der kriegsbeschädigten Rentenempfänger und solcher Aerzte, die
vor mehr als 10 Jahren approbiert und dauernd ärztlich tätig
waren.
• In Arztbezirken, wo die Verhältniszahl 600 zu 1 bereits unter-
schritten ist, werden jährlich % der bis 31. Oktober 1931 im Aerzte-
register eingetragenen Aerzte ohne Rücksicht auf die Verhältnis-
zahl zugelassen, dann aber im ordentlichen Zulassungswege immer
nur für drei Abgestorbene ein neuer, bis wiederum die Verhältnis-
zahl 600 zu 1 erreicht iöt.
In einer bestimmten Stadt, in der z. B. die Verhältniszahl
augenblicklich 300 zu 1 ist, sind ohne Neuzulassungen bereits
jetzt 50 Prozent Aerzte zu viel vorhanden, die allmählich aus-
gemerzt werden müssen, was immerhin eine erhebliche Reihe von
Jahren dauern dürfte, so daß bei der geringen Neuzulassung, die
nach den Bestimmungen erfolgen kann, eine Ueberalterung der
Kassenärzte in gar nicht auszudenkender Weise erfolgen muß.
Als vor längerer Zeit in öffentlicher Sitzung eines Standes-
vereins ein prominenter Herr der Berliner Organisation davon
sprach, daß man mit den Kassen ein Abkommen schließen müsse,
wonach alle jctzt gemeldeten Aerzte zugeiassen werden, dann aber
auf 20 bis 25 Jahre jede Neuzulassung gesperrt werden müßte,
schien der Widerstand gegen diesen allem biologischen Denken
ins Gesicht schlagenden grotesken Plan in diesem Kreise recht
allgemein. In den Aeußerungen von Krankenkassenvertretern
wird im Gegensatz dazu mit sehr viel mehr Verständnis für natur-
Regelung der Beziehungen zwischen Aerzten und Krankenkassen
299
wissenschaftliche Erfordernisse mir von der „Ausscheidung der
älteren Aerzte von einer gewissen Altersgrenze ab“ gesprochen.
Es gab wohl auch kaum jemanden, der damals diesen Vor-
schlag ernst genommen hätte. Nun ist aber doch das Unwahr-
scheinliche Tatsache geworden. Der Erfolg kann nur sein, daß
man den Sexagenariis ein recht schnelles und seeliges Massen-
sterben wünschen muß, damit die Jugend hineinkommt, die sich
vor dem eisernen Vorhang staut.
Als Abwehrmittel gegen diese Stauung ist eine verlängerle
Vorbildung vorgesehen und außerdem eine Einschränkung der
Zulassung zum medizinischen Studium, für die die Regierung
mobil gemacht werden soll.
Daß es sich hier um Mord an Ungeborenen und Geburten-
regelung durch Zwangsmaßnahmen handelt, dürfte klar sein. § 218
ist in Vergessenheit geraten.
Hae. beklagt Seite 899 „Aerztl. Mitt.“, Nr. 44, daß der Wert
des im Augenblick Erreichbaren beeinträchtigt sei dadurch, daß
die Ambulatorien nicht in die Regelung , miteinbezogen und zum
Verschwinden gebracht worden seien, so daß man von einer Ver-
einheitlmhung des Arzlsystems nur mit Vorbehalt sprechen
könne. Jür meint, es ginge um grundsätzliche Entscheidungen, daß
man sich darüber klar werden müsse, ob man der Systemänderung
in der ärztlichen Versorgung der Versicherten zustimmen wiÜ
oder nicht, und die Verbandsleitung sei verpflichtet, über die
nächsten Tage hinaus in eine weitere Zukunft zu sehen und neben
dem Schutz der wirtschaftlichen Interessen des einzelnen Arztes
die künftige Entwicklung des Aerztestandes im Auge zu behalten.
Von seinem Standpunkt aus begrüßt er, „wenn jetzt der Weg
freigegeben wird für eine rückläufige Bewegung“. „Es handelt
sich um nicht mehr und nicht weniger, als darum, ein wichtiges
Stück des freien Arzttums zurückzugewinnen“.
Gibt es jemals in der Geschichte ein Zurück?
Ist denn die Entwicklung der wirtschaftlichen und der Standes-
verhältnisse so unlogisch gewesen, daß man annehmen dürfte, sie
würde sich bei einem Zurückschrauben bis zu irgendeinem Punkt,
weTin dieses überhaupt möglich wäre, nicht einfach aus innerer
Gesetzmäßigkeit wiederholen?
Es gibt kein Zurück, sondern nur ein Vorwärts und Durch,
und darum sind die Ambulatorien mit ganz anderen Augen anzu-
sehen, als Herr Hae das tut. Sie sind zur Zeit diskreditiert durch
ihren unvergessenen Mißbrauch zu Kampf zwecken gegen die
Aerzteschaft. Aber alle Versuche, das überalterte Ideal des jetzt
nur noch sogenannten freien Berufs zu konservieren, können
nicht darüber hinvfegtäuschen, daß das System der Zukunft aus
wirtschaftlichen, moralischen und technischen Gründen ein Kol-
lektivsystem sein muß, wie wir es bereits in den Krankenhäusern
und in den städtischen und kommunalen Polikliniken haben, und
wie es der Ausbau der Ambulatorien eröffnet.
Zur Gründung der sozialistischen Aerzteintemationale
In den „Aerztl. Mitt.“, Nr. 45 vom 7. November 1931, Seite 915,
in der „Aussprache“ finden sich bemerkenswerte Ausführungen,
freilich ausdrücklich ohne Verantwortung der Haedenkampschen
Eedaktion. Dort steht zu lesen:
„Heraus aus euren ßprechzimmern, ihr Herren Fachärzte, schließt
euch in <geno^ssenschaftlichein ßinna zusammen, gründet genossenschaft-
liche Betriebe, durch die es sicher möglich ist, die Betriebskosten auf
■ ein geringes Maß herabzusetzen. In Berlin gibt es Riesenanwalts-
kauzleien, warum sollte der Grenossenschaftsg^anke bei uns Aerzten
undurchführbar sein? Und die Mittel? wird man fragen; Ich bin so
optimistisch, anzuuehmen, daß die Versicherungsträger hier hilfreich
sein würden, weil sie doch ein Interesse haben dürften, daß die Ver-
■ sorgung der Bevölkerung mit ärztlicher Hilfe eine ausreichende ist . . .
Mir erscheint ziemlich sicher, daß die Kassen diesen Weg eines Tages
beechreiten werden, wenn wir ihnen nicht zuvorkommen.“
■ Also: Einrichtung von Ambulatorien mit Hilfe der Versiche-
rungsträger, — Kassen — Ambulatorien — als dringend notwen-
dige Forderung der Zeit!
Seite 912 schreibt Herr Hae. selbst, allerdings in ganz anderem
-Zusammenhang und ganz anderer Beziehung:
„Die Berufspflichten können innerhalb der heutigen Form der
öffentlichen Gesundheitsorganisation nur durch wohlgeordnete Ge-
meinschaftsarbeit erfüllt werden.“
Sehr richtig!
Also selbst Hae. ist überzeugt von der Notwendigkeit der Ge-
meinschaftsarbeit. Nur noch ein ganz kleiner Schritt, ein klein
wenig politisch unvoreingenommenes Zuendeftihren seiner Ge-
dankengänge trennt ihn von der völligen Angleichuhg an unseren
„marxistischen“ Standpunkt.
Damit können wir zufrieden sein.
Zur Gründung der sozlalistisdien
Aerzteintemationale
Von Dr. Gruschka und Dr. Holitscher (Tschechoslowakei).
Unsere Freunde und Genossen in der CSR. haben wie wir mit Be-
dauern gesehen, daß imsere Wiener Kollegen sich der in Karlsbad ge-
.gr,ündetea IVSAe. gegenüber ablehnend verhalten. Die Genossen H o 1 i t -
scher und Gruschka haben deshalb der Wiener Zeitschrift den nach-
folgenden Artikel eingesandt, den wir zur Kenntnis un.serer Leser hier
abdrucken. DieRedaktion.
In Nummer 7 der Sozialärztlichen Rundschau hat Genosse
Tandler erhabene Gedanken zu einer sozialistischen Aerzte-
; ■ internationale ausgesprochen. Daran anschließend gibt Genosse
Fried jung in einem Berichte Aufklärung darüber, warum die
österreichischen sozialdemokratischen Aerzte der Pfingsten 1931
in Karlsbad gegründeten Aerzteintemationale nicht beigetreten
sind. ' Nicht der Kummer allein über diese Absage, die uns nach
so zuversichtlichen Voraxxssagungen eines Anschlusses allerdings
Zur Gründung der sozialistischen Aerzteintem 9 .tioaale
301
audi sehr überrascht hat, veranlaßt uns zu der Bitte, um die Auf-
nahme dieser Zeilen. Wir glaubeni daß. die von Genosse Eriedjung
gegebene Darstellung mancher Erg§5isung und. : sogar mancher
Eich tigstellung bedarf.
Vorerst wollen wir unseren österreichischen Genossen er-
klären, warum wir tschechoslowakischen sozialdemokratischen
Aerzte (sowohl der tschechische Bruderverein wie auch unser
deutscher Verein nehmen nur politisch organisierte- Sozialdemo-
kraten auf) uns entschlossen haben, uns der vom Verein Soziali-
stischer Aerzte geplanten Aerzteinternationale anzuschließen. Es
war nicht die Zeitschrift „Der Sozialistische Arzt“ allein, wie
Genosse Friedjung vermutet. Vor allem war es das Gefühl der
Dankbarkeit für die bisherigen Bemühungen des Vereines Sozia-
listischer Aerzte in Berlin, welcher durch viele Jahre für die poli-
tische Erweckung der Aerzteschaft in der Tschechoslowakei viel
Mühe und Opfer auf gewendet und uns Wenigen und Schwachen
Anregung und moralische Stärkung geboten hat. Er hat, da uns
persönliche Bekanntschaft nicht verband, den Weg zu -uns gesucht
und gefunden. Ihm, dem angeblich von Kommunisten beherrschten
^ Verein, ist die Gründung unserer sozialdemokratischen Organi-
sation zu danken. Und solche Dankbarkeit wurde dem Verein
Sozialistischer Aerzte auf der Karlsbader Tagung auch von Sozial-
demokraten a,us anderen Ländern bekundet. In Deutschland selbst
I hat der „Verein Sozialistischer Aerzte“, wenn auch seine Mit-
, gliederzahl leider noch keinen österreichischen Maßstab verträgt,
I sozialistische Leistungen aufzuweisen, für die überall anderswo
j noch Maßstäbe fehlen. Er hat eine klare und unzweideutige
Kampfstellung gegen die bürgerliche Ideologie in der Standes-
organisation bezogen, hat eine sozialistische Liste in die Berliner.
Aerztekammer aufgestellt und für ihre Wahl, mit den Argumenten
\ der Verbundenheit mit dem kämpfenden Proletariat geworben, hat
in der Kammer sozialistische Arbeit leisten lassen, hat im Kampf
' gegen den Abtreibungsparagraphen wertvolle Aufklärung ge-
il leistet und schließlich die sozialistischen Aerzte in die freie Ge-
l' Werkschaft geführt. Deutliche Beweise für die agitatorische Kraft
Ildes Vereines und die Klarheit seines Bekenntnisses bietet der
'Eifer, mit welchem ihn die Standesorganisation bekämpft.
Nachdem wir so viele Jahre die Arbeit des Vereines Soziali-
stischer Aerzte verfolgen konnten, zögerten wir nicht, mit diesem
vor der Spaltung gegründeten Verein, dem 80 Prozent Sozialdemo-
kraten angehören, darunter die von uns verehrten Genossen Za-
dek, Epstein, Marcuse und dessen Obmann una größter Teil
des Ausschusses Sozialdemokraten sind, einer Internationale bei-
zutreten, welche, wie auch andere bestehende internationale sozia-
listische Organisationen, nicht auf Sozialdemokraten allein be-
schränkt ist. In diesem Entschlüsse wurden wir auch nicht irre,
als die „Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Aerzte“- uns im
allerletzten Augenblick — ungern würden wir darüber . sprechen.
Zur Gründung der sozialistischen Aerzteinternationale
mit welchen: Mitteln — am Beitritt zu hindern versuchte. Es war
die erste Gelegenheit, wo die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokra-
tischer Aerzte zu uns in Beziehung trat. Ihre Argumente haben
wir durch eigene langjährige Verbindung mit dem Verein soziali-
stischer Aerzte als nicht «stichhaltig verwerfen können. Genosse
\F riedlun g hat sie sich aber zu eigen gemacht: daß im Verein
I So zialii ti^Ser , Aerzte „zwar _ nich^^ iiirer Zahl, wohl aber ihrem
iM^luß n^ die Fiüirimg ha^^^ Abge-
'seHen davon, daß wir unsere sozialdemokratischen Genossen im
Vorstand und Verein nicht für so schwach an Intelligenz und
Wnien halten, daß sie sich auf einen falschen Weg führen ließen,
haben wir nichts im Leben dieses Vereines beobachtet, was diese
Behauptung stützen könnte, wohl aber wissen wir, daß Kommu-
nisten aus dem Verein ausgeschlossen wurden. Schließlich haben
ja unsere Wiener Genossen, die der Karlsbader Tagung beiwohn-
ten, dort Gelegenheit gehabt, am Verlauf und den Beschlüssen zu
\ prüfen, wjdche Gefahr „kpmmunistischer Einfluß und Führung“
J der Verein So zial istischer Aerzte darstellt
Wir haben uns zu dieser Aufklärung verpflichtet gehalten,
um unseren österreichischen Genossen unsere Haltung zu er-
klären, dann aber auch, um beharrlichen, unrichtigen Barstellun-
gen über den Verein Sozialistischer Aerzte entgegenzutreten. Daß
die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Aerzte den älteren
und um den Sozialismus verdienstvollen Verein sozialistischer
Aerzte als Gegner behandelt, daß die österreichischen Genossen
ihn als Partner einer Internationale ablehnen, ist für uns schmerz-
lich. Wir haben uns immer sehr um Einvernehmen und Gemein-
saflikeit bemüht. In diesem Bestreben hat uns bisher der Verein
Sozialistischer Aerzte nie enttäuscht und seine Bereitwilligkeit hat
unsere Treue ihm gegenüber gefestigt. Wir kennen unsere Ber-
liner Freunde so gut, daß wir ohne sie fragen zu müssen und ohne
eine Berichtigung zu fürchten, erklären können: eine „Schwierig-
keit, daß eine ärztliche Internationale, deren Wiener Gruppe
allein weit stärker wäre, als alle anderen zusammen, von der Ber-
liner Gruppe geleitet werden sollte“, besteht gar nicht; die Ber-
liner Gruppe überließe freudig die Führung den Wienern, wenn
sie sie nur antreten wollten,
^ Genosse Fried jung, der Obmann der Wiener Vereinigung,
erwidert darauf;
„Ich war recht betreten, als ich die Zuschrift der von uns
allen geschätzten Genossen aus der Tschechoslowakei empfing. In
einer nicht ohne Mühe improvisierten Besprechung sozialdemo-
kratischer Aerzte aus Belgien, Deutschland, Deutsch-Oesterreich,
England, Lettland, Tschechoslowakei, Ungarn hatten wir unsere
Meinungen und Bedenken ausgetauscht, und nichts ließ mich ver-
muten, daß unser alter, bewährter Freund Genosse Holitscher zum
Schlüsse verstimmt gewesen sei. Genossin Dr. Maria Pornick
Zur Gründung der sozialistischen Aerzteinternationale 303
(Lettland) erklärte, ihre Gruppe habe den Anschluß an Karlsbad
rückgängig gemacht, die zwei Vertreter der Budapester Gruppe
teilten mir mit, der ungarische Genosse von Karlsbad habe keiner-
lei Vollmacht gehabt*), und die Aussprache schien eine communis
opinio gezeitigt zu haben.
Welches sind denn die wesentlichsten Bedenken gegen die in
Karlsbad versuchte überparteiliche Internationale? /Wenn eine
Internationale mehr sein soll, als ein Symbol, wenn wir den
Wunsch haben, unsere Anschauungen über sozialistische Bevölke-
rungspolitik, über sozialistische Menschenökonomie und Kranken-
fürsorge zum Gemeingut, zum Programm der großen Internatio-^
nale zu machen, dann müssen wir den Weg suchen, der uns !ßin-|
fluß verspricht. Eine aus Kommunisten un^
b^tehende nationale Gruppe wird bei keiner der Parteien Einfluß j
gewinnen, die Stimme einer solchen überparteilichen Internatio- \
nale der Aerzte wird weder bei der II., noch bei der III. Inter- \
nationale gehört werden. 'Wir müssen die unselige Spaltung der
Arbeiterschaft beklagen, aber wir dürfen sie nicht übersehen. Die
Deutschösterreicher haben mit ihrer reiflich überlegten Weigerung: •
zum Anschluß an Karlsbad eine moralische Verpflichtung über- |
nommen, und sie werden sich ihr nicht entziehen.
Es ehrt unsere Freunde aus der Tschechoslowakei, daß sie
guter Dienste des „V. S. Ae.“ nicht vergessen und Treue zu halten
verstehen. Aber da darf ich wohl, ohne unbescheiden zu sein, er-
innern, daß es gewiß nicht zuletzt mein nachdrücklicher Rat und
unsere wohlerwogenen Satzungen waren, die unsere tschechischen
und deutschen Genossen in der Tschechoslowakei bestimmten, ihre
Vereinigungen auf eingeschriebene Parteigenossen zu beschrän-
ken. Wir freuen uns ihrer Erfolge und drücken ihnen brüderlich
die Hand. In Berlin aber müssen unsere Genossen erst selbst Klar-
heit schaffen, ehe wir mit ihnen Zusammengehen können. Wir
schätzen die Genossen vom „V. S. Ae.“ und sind von ihrem guten
Willen überzeugt.“ Ihre Vorkriegszeit-Ideologie aber ist leider
überholt und muß in neuer Form erst wieder gewonnen werden, fi
Hier haben wir alle eine Aufgabe, deren Lösung nicht vorweg-
genommen werden kann.
Nachwort der Redaktion des „SOZ. ARZT**
Wir verstehen durchaus die Verlegenheit des Gen. Fried-
jung, den klaren Argumenten unserer Genossen entgegentreten
und der Wiener Mitgliedschaft die ablehnende Haltung verständ-
lich machen zu müssen. Die Tatsache, daß die Organisationen
sozialistischer Aerzte in den verschiedenen Ländern verschieden
aufgebaut sind, und daß sie sich trotzdem zu einer engen Zu-
sammenarbeit im Dienste des Proletariats zusammengeiunden
*) Siehe die nachstehende Erklärung der ungarischen Sektion.
des ,ySoz. Arzt“.
Zur Gründung der sozialistischen Aerzteiiiternationale
haben, ist nicht neu. In den meisten Ländern bestehen mehrere
■Arbeiterparteien in Deutschland sind es sogar vier — und dazu
ein Heer von Sozialisten außerhalb der Parteien. Sollen wir ebenso
viele sozialistische Aerztevereinigungen gründen und nicht lieber
versuchen, mit einer alle Eichtungen umfassenden Organisation
den proletarischen Parteien auf unserem engen Arbeitsgebiete
ein leuchtendes Beispiel zu geben? Gibt es nicht über alle be-
stehenden parteipolitischen Differenzen hinweg für uns als Sozia-
listen und als Aerzte eine Fülle gemeinsamer Aufgaben auf dem
Gebiete des Gesundheitswesens, die der VSAe. mit wachsendem
.1 Erfolge in Angriff genommen hat? Eint uns nicht vor allem die
I Solidarität mit dem kämpfenden Proletariat?
.Uebrigens negieren doch wohl auch die Wiener Genossen nicht
die Gewerkschaf ten und andere Massenorganisationen als
überparteiliche Gebilde, die ihre großen Aufgaben nicht in ein-
seitiger Zusammensetzung, sondern allein überparteilich
erfüllen können.
Wenn Friedjung als höchsten Trumpf verkündet, unsere
i,Vorkriegs-Ideologie sei leider überholt“, so zeigt er, daß er die
j,gegenvräi^tig . eznste Lage des Proletariats überhaupt nicht ein-
^^zi^cMtzen_ve Eigentlich sollte der tägliche Anschauungs-
unterricht . genügeu - Wi r haben bei der Betrachtiing auch des’ Ee-
sultats der Aerztekammerwahl betont, wie die politische Situation
das einige und geschlossene Auftreten des Prole-
tariats erfordert, und wie es über alle bürokratischen
Widerstände hinweg sich durchsetzen muß. Vielleicht ist
die Entscheidungsstunde unmittelbar bevorstehend, da es bei jins
in Deutschland um Leben oder Tod der proletarischen
BVwegun^ geht! . ..
Uns liegen ^ viele schriftliche und mündliche Aeußerungen
Friedjungs vor, die zum Ausdruck bringen, die Einigung mit
uns würde nicht schwer fallen, und er freue sich auf die gemein-
same Arbeit. In kurzer Zeit werde der Eintritt in die Internatio-
nale Vereinigung sozialistischer Aerzte vollzogen werden usw.
Fried jung war übrigens einer der Präsidenten unserer Inter-
nationalen Tagung. Dazu kommt, daß die Wiener Vertreter in Karls-
bad, wo sie unter dem starken Eindruck unserer Tagung standen, for-
mell erklärten, sie werden untelr keinen Umständen eine Separataktion
vornehmen. Sie wollten vielmehr alles daran setzen, daß die
Wiener Genossen mit uns gemeinsam marschieren. Mit oder ohne
Wien werden wir unseren Weg weiter entschlossen gehen. Wir
werden aber an die Einsicht der Mitgliedschaft in
Wien, die leider über diese Vorgänge gar nicht öder sehr un-
^®t, appellieren, sich der gemeinsamen
s 0 z i alis tischen Aerztefroht einzureihen. E. F.
Werbt neue Mitglieder für den V. S. Ä.!
1
1
w
Einige Bemerkungen znm Selo-Prozeß
Eine ErMärang der ungarischen Sektion
zu dem Artikel des Genossen Friedjung
Wir erklären hiermit, daß die aus fünf Mitgliedern bestehende
Delegation, welche wir zu dem am 24. Mai d. J. stattgefimdenen
Karlsbader Aerztekongreß entsendet haben, von unserem Verein
zur Vertretung unseres Standpunktes und zum Anschluß an die
Sozialistische Aerzteinternationale eine regelrechte Vollmacht er-
hielt. — Ferner wurde das nachträgliche Eeferat der Delegation
von der Mitgliederversammlung unseres Vereins zur Kenntnis
genommen und das Verhalten der Delegation auf dem Kongreß
mit der größten Anerkennung gebilligt.
Budapest, den 16. November 1931.
M. Or. Sozialdem. Part. Orvorstagjainak Szervezete.
Dr. Szöllos Henrik, Dr. Jahn Ferency,
Vorsitzender. ^ Sekretär.
Dr. Walter Ander,
Vizepräsident. '
Einige Bemerkungen zum
Von Dr. Max H o d a n n.
Der mit ziemlichem Aufgebot aufgezogene Prozeß gegen Dr.
Selo in Krefeld wegen gewerbsmäßiger Abtreibung und Betrug
hat ein juristisch recht mageres Ergebnis gehabt. Die Anklage
wegen Betrugs der Krankenkassen und der Patienten mußte die
Staatsanwaltschaft selbst fallen lassen, von den Abtreibungen
wurden wenige Fälle als erwiesen angesehen und unter Aner-
kennung der Gewerbsmäßigkeit bei gleichzeitiger Zuerkennung
mildernder Umstände mit neun Monaten Gefängnis bewertet. Die
zweite Instanz wird erneut zu entscheiden haben. Weswegen uns
an dieser Stelle dieser Prozeß interessiert, ist dieses: Für die Er-
hebung der Anklage hat sich die Staatsanwaltschaft auf Aussagen
einer großen Reihe von Patientinnen gestützt, die — vor der Kran-
kenkasse „ausgesagt“ hatten, bei ihnen habe, der Angeklagte trotz
entsprechender Liquidation gar keinen „Eingriff“ .vorgenommen.
Unter Eid in der Hauptverhandlung haben diese Zeuginnen ihre
Aussage verweigert. Natürlich haben sie bei der „Kassen-
raung“ falsche Aussagen gemacht, da ja weder einzusehen noch
zu erwarten ist, daß sie der Kasse gegenüber einen strafbaren
Eingriff zugeben werden. Wir fragen nur folgendes: Wäe kommt
die Justizbehörde dazu, „Vernehmungen“ durch die Kasse za
arrangieren, und wie kommt die Kasse als Institut, das angeblich
seine Arbeit auf Grund des „Amtsgeheimnisses“ zu tun hat, dazu,
über Angaben, die ihm über gesundheitliche Verhältnisse^ seiner
Versidierten bekannt werd:en, der Staatsanwaltschaft Auskunft zu
geben. Die Staatsanwaltschaft hat erklärt, .daß diese Methode des
m
Weltwirtschaftskrise und Alkoholbekämpfung
Yerfahrens zwecks „Zeitersparnis“ gewählt worden sei. Straf-
prozessual ist' das sehr sonderbar. Aber das geht uns nicht weiter
viel an. Wir sind ohnehin davon überzeugt, daß in Deutschland
schon lange die „Eechts-Sprechung“ die „Rechtsprechung“ über-
wiegt, wie seinerzeit Siegfried Jacobsohn festgestellt hat.
Die Durchbrechung des Amtsgeheimnisses bei einer Kranken-
kasse einer Stadt von 165 000 Einwohnern indessen ist eine Ange-
legenheit, die nicht schweigend hingenommen werden kann. Wir
haben allen Grund, vor allem unsere Verwunderung darüber aus-
zusprechen, daß die beim Prozeß anwesende Presse dieses Yer-
handlungsergebnis nicht mit gebührender Schärfe festgenagelt
hat. Es wird gegebenenfalls an der Zeit sein, während der Revi-
sionsinstanz auf diesen Skandal zurückzukommen.
Weltwirtsdiaftskrise und Alkohol-
bekämpfung
Von Dr. Arnold Holitscher-Komotau.
Eine Zeitspanne unerhörtester Zerrüttung aller wirtschaft-
- liehen Grundlagen der gesamten Menschheit ist hereingebrochen,
unter deren zermalmenden Gewalt besonders die Arbeiterschaft
aller Länder die schwersten Opfer zu bringen, die schrecklichste
Not zu tragen gezwungen ist. Vergeblich bemühen sieh die Staats-
männer und Wirtschaftsführer, den Ausweg aus dem Chaos zu
finden, das täglich unentwirrbarer wird. Ihre Anstrengungen
■ müssen vergeblich bleiben, weil sie Heilung mit den Mitteln der
kapitalistischen Ordnung schaffen wollen, die unfähig geworden
ist, die Weltwirtschaft zu meistern. Nur der Sozialismus vermag
Ordnung zu schaffen, die Menschheit aus dieser Hölle zu befreien.
Kein Wunder, daß in dieser Epoche der Verzweiflung, des
Jammers, der Vernichtung, das gesamte Interesse der Arbeiter-
schaft, ihrer Führung, ihrer politischen und gewerkschaftlichen
Organisationen ganz in Anspruch genommen wird von den bren-
nenden Tagesfragen, von den schweren Kämpfen um Lohn, Ar-
beitsplatz, Arbeitsverträge, von der Sorge um das schreckliche
Los der Arbeitslosen und Kurzarbeiter, damit dem militärisch-reak-
tionären Bürokratismus auch der geringste Erfolg für die Arbeiter-
schaft abgerungen werden kann. Begreiflich, daß da wenig Zeit
und Sinn für die Kulturarbeit bleibt! Verständlich, wenn man zu
kören bekommt, wir haben jetzt andere Sorgen, als die Trinksitten
zu bekämpfen, das ist eine Aufgabe normaler Zeit. Und jetzt ist’s
ja, so hört man, auch gar nicht so notwendig wie sonst, denn jetzt
hat der Arbeiter ohnedies kein Geld, um sich alkoholische Ge-
tränke anzuschaffen, er ist froh, wenn er die unentbehrlichsten
Lebensbedürfnisse ahschaffen kann. Vergeuden, wir also unsere
ohnedies durch die Verelendung des Proletariats gelähmte Kraft
nicht auf Fragen zweiten Ranges.
Weltwirtschaftskrise und Alkoholbekämpfüng
Aber so stehen die Dinge in - Wirklichkeit nicht, Und' überaus
gefährlich und verhängnisvoll wäre es, solcher Beweisführung
folgend, über der Sorge für die wirtschaftliche Lage der Arbeiter-
schaft, die für ihre seelische. Widerstandsfähigkeit zu übersehenV
sie den Gefahren preiszugeben, die ihr aus den Verlockungen des
Sorgen und Elend vergessen machenden Alkoholgenusses erstehen.
Die Gefahren sind in doppeltem Maße vorhanden, da der durch
Unterernährung geschwächte Organismus den zerstörenden Wir-
kungen des Giftes besonders leicht erliegt, und weil in diesen
grauen Tagen und Nächten des Elends die Verlockung, aus der
entnervenden und unerträglichen Wahrheit in die holde Lüge des
Ptausches zu entfliehen, ganz besonders groß ist. Was liegt näher,
als anstatt des Stückchens Brot, von dem man doch nicht satt wird,
ein Glas Schnaps zu kaufen, das einem wenigstens auf ein paar
Stunden das Gefühl des Sattseins und der Geborgenheit vor-
täuscht! Der Elendsalkoholismus ist der gefährlichste von allen,
seine unheimliche Macht über die Leiber und Seelen des durch
Hunger, Sorgen, Verzweiflung geschwächten Arbeiters stößt ihn
aus den Reihen der um die Freiheit kämpfenden Scharen des Pro-
letariats, macht ihn zur hilf- und wehrlosen Beute des im' End-
kampfe liegenden Kapitalismus.
Gewiß, man merkt bei unserer Arbeiterschaft glücklicher-
weise heute noch nicht viel von dieser sehr ernsten Gefahr. Der
Branntweinverbrauch ist nicht gestiegen, Trinken hat keine
wesentliche Ausbreitung gefunden. Daß dem so ist, kann mit
Sicherheit der aufklärenden Tätigkeit zugeschrieben werden, die
seit Jahren von Partei, Gewerkschaft, Kulturorganisationen be-
trieben wird. Aber das darf nicht dazu führen, die Gefahr zu
unterschätzen, den Kampf als siegreich beendet zu betrachten! Das
ist er nicht, und so manche Erscheinung im Wahlkampfe, bei Kund-
gebungen usw. zeigt, daß morgen manches verderblich werden ,
kann, was man heute noch als unwesentlich beiseite schieben zu
dürfen vermeint.
Kein erwünschterer, wirksamerer Bundesgenosse aber könnte
heute dem dahinsiechenden Kapitalismus erstehen, als zunehmende
Alkoholisierung der Arbeiterschaft. Sie, die heute alle ihre durch
Elend, Unterdrückung, Spaltung ohnedies so schrecklich ge- ’
schwächten Kräfte sammeln muß, um den Kampf zu bestehen,
wäre zur vernichtenden Ohnmacht verdammt, wenn der Alkohol
zur verwüstenden Herrschaft gelangte.
Und darum ist die Arbeit, die wir abstinenten Sozialisten
leisten, nicht überflüssig, keine Kräftevergeudung, keine Ver-
bohrtheit, wie ma-n uns oft vorwirft; wir wirken für die Wehrhaf-
tigkeit, für leibliche und seelische Schlagkraft der Parteimit-.
glieder; welche höhere Aufgabe könnte sich eine Parteiorganisa-
tion steilen?
Nein, es ist weder Ueberhebung noch Eigenbrötelei, wenn wir-
heute, in der Zeit der ärgsten Not, vor einem Winter des Hungers
1
'3®8 , Stellüiig des Aerztes i. d. heutigen Gesellschaft
IHferben für die proletarische Enthältsam-
keitsbciiregmig, die Genossen und Genossinnen bitten, unsere
Itoihen 2u verstärken, niit uns gegen die Trinksitten der Arbeiter-
schaft sä 'wirken. JedOTf der dem Bufe folgt, kann überzeugt sein,
daS er d^bei' Parteiarbeit ItJiJ.stet im besten Sinne des Wortes, den
Sozialismus fördert, mitwirkt an der Befreiung des Proletariats.
iMe psydiplogisdie Stellung des Arztes
in der heutigen Gesellsdiaft
Von Dr. B. T o t i s (Budapest).
. . Die moderne 'Medizin birgt eine ganze Reihe von sch'werwiegen-
den Widersprüchen in sich. Der Arzt macht immer wieder die Er-
fajhrang, ds£ er bei der bestehenden Wirtschaftsordnung aus seinem
W^B^itsschatz bloß soviel an wenden kann, wie es die soziale Lage
des Kranken eben gewährt. Trotzalledem kann die Medizin
_ - nicht
für antisozial erklärt werden. Wenn auch die heutige Medizin bei
der bestehenden Produktionsordnung kaum einen Teil ihrer wirk-
lichen sozialen Aufgabe, der Prophylaxe, zu lösen vermag, ist
diese Wissenschaft doch nicht antisozial. Nicht bloß die Beurteilung
ihres Anwesndungsgebietes, sondern auch der Ueberblick der Ent-
•wipklung und der Geschichte dieser Wissenschaft muß uns über-
zeugen, daß sie ein wirkliches Kind des Kapitalismus ist. Und
auch der heutige Arzt, der sich in seinen Manieren wie der Nach-
. lölger des mittelalterlichen Magiers gebärdet, ist ein Erbgut des
Föndalismus und ein Produkt des Kapitalismus. Am Krankenbett
versucht er sich über den Seelenzustand des Patienten zu erheben
I Und nimmt eine Pose an, die ihn von dem Patienten unterscheiden
I Söll, um auf diese Weise einen suggestiven Zauber ausüben zu
können. Alle diese Eigenschaften trägt er als die Erbschaft der
alten Gesellschaft in sich, aber er findet für sie auch in der
heutigen Gesellschaft eine gute Verwendung. Es ist nicht wahr,
daß er. zu dieser suggestiven, dämonischen Pose durch die Kranken
gez-wun^en wird, die -dieses eigenartigen Helfers mit einer un-
gleichen Seelenlage scheinbar bedürften. Difeser Seelenzustand, des
. der kapitalistischen Gesellschaft, sie ist das
I Produkt der reichen Gesellschaftsklasse, die das Gemeinleben im
/ Besitze hält. Durch diese Gesellschaftsklasse wird jene Pose des
Arsites erzwunsren, um sich durch sie über die Atishentirncr dAt*
Die psyehWogische Stellung des Äerztes i. i hratigen Gesellschaft
Probleme und Konflikte der Außenwelt derart einer Lösung näher
gebracht, daß er in seiner Betrachtung die Außenwelt nach dem
eigenen Bild umformte und sich nun 'dem Glauben überließ, über
diese nach seinem Bilde umgeformte Außenwelt herrschen zu
können. Im Unbewußten verfahren diejenigen, die die~ heutigen
Lebensformen bestimmen, in gleicher Weise, und der Zauber und
die Magie werden für sie zum seelischen Bedürfnis. Es leuchtet
also ein, daß die magischen und suggestiven Elemente im Arzte
aus dem Seelenzustand der Reichen entstammen. Dem reichen
Kranken wird es zum seelischen Bedürfnis, daß ihn der Arzt mit
Hilfe solcher Seelenzustände behandeln soll, mit Welchen er selber
sonst die Menschen und das, Leben behandelt.
Der Arbeiter, der von der Realität des schlechten Lebens ab-
hängt, und dessen Leben durch die unleugbare Wirklichkeit be-
dingt wird, steht auf einer höheren Stufe der seelischen Ehtwick^
lung. Dieser Seelenzustand läßt sich mit der Freudschen Nomen-
klatur als das System der wissenschaftlichen Weltbeträchtung be-
zeichnen. Der sogar in seinen Träumen, Halluzinationen und
Visionen gehemmte Arbeiter konnte ♦ zur Erklärung seines
schlechten Lebens und der ungerechten Gesellschaft wahrlich kein
anderes System der Weltbetrachtung als das wissenschaftliche
finden. Das Proletariat ist die erste G^ellschäftsklasse in ...der
Weit-
eine k ons equ ent w isse nschMtliehe
anschauung besitzt. Wenn auch diese Weltanschauung nicht alle
Fragen zu erklären vermochte, so konnte sie ihm doch das Leben
auf einer breiten und ausführlichen analytischen Grundlage er-/
klären. Auf seinem Lebenswege tritt dem Arbeiter immer nur die
Realität entgegen, und sein Seelenleben erhebt auf den Mystizismus
der letzten Fragen überhaupt keinen Anspruch. Daher bedarf der
sozialistische Arbeiter des magischen, suggestiven Arztes nicht —
ja er widert ihn sogar an — da er in ständiger Abhängigkeit von
den Realitäten lebt; die Möglichkeit einer Flucht vor der Wahr-
heit und vor den sozialen Verhältnissen wird ihm nie gewährt und
deshalb Wird die Anwendung der Magie und des Zaubers bei ihm
zur vergeblichen Mühe.
Der Arzt muß mit dem Widerspruch im klaren sein, deri
zwischen seiner Stellung als Arzt und seinem sozialen Gefühl be-?
steht. Die Anwendung seiner Wissenschaft bringt täglich die Er- i
fahrung mit sich, daß sein ärztliches Wirkuhgsfeld soziale,'
Ursachen immer wieder eine Einengung erfährt, da er aus seiner?;
Wissenschaft bloß soviel zur Anwendung bringen kann, wie es dief
soziale Lage seiner Kranken gewährt. -{Die Tuberkulose, Rachitis,f
Geschlechtskrankheiten und auch andere Erkrankungen könntei^
ja durch die Prophylaxe verhindert werden.) Seine Wissen achaft
kanr^_kajim_ _ e^^^ he if^ blo ß sein Sozialismus könnfe dieg timi .
Und gleichzeitig kann siclT^ef~Xrzt — eben durch OOlne ^Stellung
als Arzt von jenen psychologischen Zuständen nicht befreien,
die ihm durch die bestehende Produktionsordhung aiiferzivungeii
werden. Er gab sich gerne der Illusion hin, daß er diese Seelen-
310 Die psychologische Stellung des Aerztes i. d. heutigen Gesellschaft
Zustände bloß um seiner Kranken willen mit sich trägt, aber die
psychologische Untersuchung konnte in klarer Weise den Beweis
d.afür erbringen, daß diese Seelenzustände einen sozialpsycholo-
gischen Ursprung haben. (Nur nebenbei sei erwähnt, daß bei der
Aufhebung dieses sozialpsychologischen Zustandes auch jener Um-
stand erheblich mitznspfcien vermag, daß der Arzt für Geld
arbeitet.)
Auf diese Weise entsteht im Arzt selber der Konflikt zwischen
der Medizin und dem Sozialismus. Das Bewußtwerden der Kon-
flikte kann uns aber zu einem einheitlichen, tapferen und aktiven
Wollen führen, das jeder Kritik standzuhalten vermag. Diese Ge-
sundung des Seelenzustandes nimmt dort seinen Anfang, wo der
Arzt sich selber als den Repräsentanten einer Wissenschaft in der
Affektlage der kapitalistischen Gesellschaft erkennt, und sie setzt
sich in jener Erkenntnis fort, daß seine Wissenschaft aus sozialen,
Gründen nicht zur Anwendung gelangen kann. Weiter wird ihm
in klarer Weise bewußt, daß sich die Medizin dazu eignet, ihm den
Weg zum Sozialismus zu zeigen, und daß er sich der Arbeiter-
klasse gegenüber aller seelischen Einstellungen, die ihm die kapi-
talistische Gesellschaft auf zwang, zu entkleiden hat.
Der Billrothsche Satz, daß nur ein guter Mensch ein guter
Arzt sein kann, läßt sich mit gutem Recht dahin umändern, daß ein
^guter Arzt nur ein guter Sozialist sein kann.
Die Untersuchung des Seelenzustandes des Arztes ergab, daß
seine „Wissenschaft“ mit einer Weltanschauung, und zwar mit
der sozialistishcen Weltanschauung, sowohl in ihrer Entstehung,
als auch in ihrer Anwendbarkeit im Widerspruch steht. Der Weg,
der zum Ausgleich dieser Gegensätze führt und die zwei ver-
schiedenen seelischen Komponenten in die gleiche Richtung lenkt,
wird, nicht . durch den Zwang, sondern durch die seelische Not-
wendigkeit gebahnt. Ist einmal für das Zusammenwirken der
Wissenschaft und der Weltanschuung die Möglichkeit geboten, so
führt nunmehr ein kurzer Weg zu jener Erkenntnis, daß der So-
zialismus in der heutigen medizinischen Psychologie keinen Feind,
keinen Stifter von Konflikten zu erblicken hat, sondern sie kann
ihm als eine gleichgerichtete Bestrebung, als ein wirklicher Inhalt
seiner Doktrin wertvolle Dienste leisten. Nur jener vermag die
Gesellschaft zu erkennen, der seine Glieder, die Individuen, er-
kennt und nur jener vermag die Seele des Individuums zu er-
forschen, dem sich alles Böse offenbart, das das Individuum von
der bestehenden Gesellschaftsordnung erfährt. Der Sozialismus
von heute und vor allem der sozialistische Arzt kann die moderne
Psychologie nichj: entbehren. Die moderne Psychologie muß als
medizinische Psychologie eine Waffe in der Hand des soziali-
stischen Arztes werden, mit der er die Uebelstände des Lebens zu
bekämpfen hat. Und gleichzeitig kann auch der Sozialismus die
moderne Psychologie als eine Hilfswissenschaft nicht entbehren,
die ihm den Weg zur .Erkenntnis des Einzelindividuums in der
großen Masse zu ebnen vermag.
Intern. Konferenz f. d. Personal, des Gesundheitswesens in Bern 311
Internationale Konferenz für das Per*
sonal des Gesundheitswesens in Bern
Die Verhältnisse, unter denen das Personal im Gesundheits-
wesen in den verschiedenen Ländern seine Tätigkeit auszuüben
gezwungen ist, weichen sehr stark voneinander ab. Fast überall
gehört dieses Personal zu denjenigen Gruppen von Arbeitnehmern,
die der Ausbeutung in sehr starkem Maße preisgegeben sind.
Niedrige Löhne, unglaublich lange Arbeitszeiten, Schutzlosigkeit
bei vorkommenden Unfällen und Krankheiten, die bei Ausübung
des Dienstes erv^orben worden sind, gehören fast überall zu den
bestehenden Tatsachen. Schon das allein war Grund genug, dieses
Personal im internationalen Maßstabe zusammenzufassen, um Er-
fahrungen und Meinungen zum Zwecke der Erreichung von Ver-
besserungen auszutauschen. Darüber hinaus aber hat die Welt-
wirtschaftskrise mit ihren gesundheitsschädigenden Folgen das
Problem der zweckmäßigen Versorgung' der Kranken und vor
allen Dingen ' der Verhütung von Krankheiten in den Vordergrund
geschoben. Unter diesen Umständen war es außerordentlich zu be-
grüßen, daß das Internationale Sekretariat des Personals der
öffentlichen Dienste und Betriebe diese Konferenz einberufen hat.
Die Tagesordnung, die hier nicht im cinzslnsn behandelt werden
kann, umfaßte sehr wichtige Punkte, nämlich:
1. Organisation und Verwaltung des Krankenpflege- und Gesundheits-
wesens in verschiedenen Ländern.
Berichterstatter: Ludwig Nordgren, Stockholm.
2. Zahl und Organisation des Personals, seine Lohn- und Arheits-
verhältnisse.
Berichterstatter: Ernest Michaud, Paris.
3. Die Ausbildung des Krankenpflegepersonals.
Berichterstatter: Jos. Henggeier, Zürich. '
4. Unfallschutz imd Berufskrankheiten.
Berichterstatter: Paul Levy, Berlin.
In den Verhandlungen, die von äußerster Sachlichkeit ge-
tragen waren, kam immer wieder und mit stärkstem Nachdruck
zum Ausdruck, daß eine Besserung der Verhältnisse im Gesund-
heitswesen nur eintreten kann, wenn nicht nur die Wirkungen,
sondern die Ursachen der Weltwirtsch^aftskrise bekämpft werden.
Diese Ursachen aber müssen in der kapitalistischen Mißwirtschaft,
die heute noch in allen Ländern am Platze ist, erblickt werden.
Die Kämpfe gegen die Ursachen dürfen jedoch nicht dazu führen,
die in Erscheinung tretenden Schäden unbeachtet zu lassen. Des-
wegen sei es notwendig, das Gesuhdheitsw;esen, worunter auch die
Krankenpflege verstanden werden müsse, auf ein möglichst hohes
• Niveau zu heben. Das aber könne nur geschehen, wem das
Personal, das im Gesundheitswesen tätig ist, selbst von wiHschaft-
lichen und anderen Sorgen möglichst befreit werde. Keineswegs
dürfen die Stätten, die den Zweck haben, die Gesundheit zu er-
halten oder Kranke gesund zu machen, in bezug auf die Personal-
Intern. Konferenz f. d. Personal des Gesundheitsvvesens in Bern
'Verhältnisse so eingerichtet sein, daß das gesunde Personal krank
/wörde. Insbesondere dürfen Heil- und Pflegeanstalten nicht zu
Nervenzerrüttungsanstalten für das Personal herabgewürdigt
werden.
Die Beratungen gipfelt en in der Annahme von zwei Entschlie-
ßungen, die von der deutschen Delegation eingebracht worden
sind. Die erste sagt in ihrem Inhalt folgendes:
Es soll im internationalen Maßstabe ein Programm über die
Ausbildung, Prüfung und Fortbildung des Krankenpflegepersonals
ausgearbeitet werden. Der Unfallschutz und die Verhütung von
^ Berufskrankheiten sollen in dem Sinne angestrebt werden, daß
a) das gesamte im Gesundheits-w^esen beschäftigte Personal in die ünfall-
gesetzgebung einbezogen wird,
b) die gesundheitlichen Schäden, die mittelbar oder unmittelbar auf die
Ausübung des Dienstes zurückzuführen sind, als Berufskrankheiten
und damit als Unfälle im Sinne der Unfallgesetzgebung anerkannt
werden,
c) umfassende Unfall- und Krankheitsverhütungsvorschriften erlassen
werden. .
Außerdem sollen Grundsätze darüber auf gestellt werden, nach
-weichen Gesichtspunkten die Lohn- und Arbeitsverhältnisse des
Personals, im Gesundheitswesen international einheitlich geregelt
' Werden, können. . ■
. Die, zweite Entschließung hat folgenden Wortlaut:
^ Die . ungeheure Arbeitslosigkeit, die als Folge der Weltwirtschaf ts-
:,krise und damit der kapitalistischen Wirtschaftsform in fast allen
Ländern eingetreten ist, hat außerordentliche Gefahren auf dem Gebiete
des Gesundheitswesens mit sich gebracht. Die Erfahrungen der Ver-
gangenheit zeigen unverkennbar, daß in dem gleichen Maße, wie der
Lebensstandard sinkt, auch das Niveau des Standes der Volksgesundheit
herabgedrückt wird.
In den von der Wirtschaftskrise besonders be-
troffenen , Ländern werden im krassen Widerspruch zu den
gegebenen Notwendigkeiten aus Gründen einer falsch angewandten Spar-
samkeit umfangreiche Einschränkungen der Einrich-
tungen vorgenommen, die der Erhaltung und Wieder-
erlangung der Gesundheit dienen sollen. Als Beispiel
sei darauf hingewiesen, daß die Sozialversicherungen
zu Lasten der Versicherten abgebaut und Kranken-
häuser zum Teil geschlossen werden. Der Personal-
abbau hat einen Ümfa'ng angenommen, der die oidnungs-
mäflige Versorgung der Kranken und anderen Hilfsbedürftigen nicht nur
in Frage stellt, sondern unmöglich macht. Die I3ie-, Sexual-, Mütter-,
Säuglings-, Schwangeren- und Geschlechtskrankenberatungsstellen, deren
Tätigkeit sich sehr , segenbringend ausgewirkt hat, sind wesentlich ein-
geschränkt, zmn Teil ganz aufgehoben worden. Die Volks- und Schul-
kinderspeisungen werden nur notdürftig aufrechterhalteu und die ärztliche
Uebwwachung der Schulkinder nur noch höchst mangelhaft durchgeführt.
Die Folgen, die sich schon Jetzt bemerkbar machen, werden, wie die Lehren
dee Weltkrieges zeigen, erst später in vollem Ausmaß iu. diA Tr-rsphoimiTur
treten. " * ' ' ®
, Die 1. Internationale Konferenz des Personals im Gesundheitswesen,
die am 10. ■und 11. September 1931 im Voikshaus in Bern tagt, erhebt
deshalb ihre warnende Stimme. Sie verkennt keineswegs die finanziellen
i
Rundschau
Schwierigkeiten, in denen sich die Träger des öffentlichen Gesundheits-
wesens befinden, bringt aber mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck, daß
Einschränkungen dieser Art Verschwendung des Kapitals, nämlich der
Velksgesundheit bedeuten, ohne das ein Wiederaufstieg ganz wesentlich
erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht wird. Die aus vielen Ländern
versammelten Delegierten erachten es als eine ihrer vornehmsten Auf-
gaben, in ihren Wirkungskreisen dafür einzutreten, daß die obersten
Grundsätze des freigewerkschaftlich organisierten Personals im Gesund-
heitswesen, Humanität und Menschheitssolidarität, wieder zu ihrem Rechte
kommen.
An einem der Konferenztage fand' eine internationale Kund-
gebung statt, in der für Deutschland Frau Karola Wedl sprach
und ebenso wie die Vertreter der übrigen Länder für die Ver-
einigung des Proletariats im internationalen Maßstabe eintrat.
Der Gesamteindruck der Konferenz ist der, daß die ersten erfolg-
reichen Schritte getan worden sind, um der leidenden Menschheit
den Weg für eine bessere Zukunft zu bahnen. Paul Le vy.
die pclitisehe Hetze der
„Münchener Medizinischen
Wochenschrift“.
Im redaktionellen Teil der
„Münchener Medizinischen Wo-
chenschrift“, Nr. 43, findet sich
unter „Tagesgeschichtliche No-
tizen“ eine Mitteilung über die
Verfehlungen und Etatüber-
schreitungen bei der Breslauer
AOK. Die Mitteilung schließt
mit den Worten: „Mit Arbeiter-
und Aerztegroschen wird sich’s
schon wieder hereinbringen las-
sen, was die sozialdemokrati-
schen Herren verschleudert ha-
ben“. ;
Die „M. M. W.“ bringt diese
Aeußerung, bevor das Ver-
fahren überhaupt eingeleitet ist
und die vermuteten Verfehlun-
gen geklärt sind und ohne den
Beweis zu erbringen, daß die
Mehrheit oder gar die Gesamt-
heit der Vorstandsmitglieder der
SPD. angehören. Ohne uns mit
allen Maßnahmen der Kranken-
kassen und ihrer oft großspuri-
gen Bau- und Verwaltungs-
politik einverstanden zu erklä-
ren, muß doch festgehalten wer-
den, daß in der Notiz der
M. W.“ ein erneuter Beweis für
ihre seit Jahren betriebene -re-
aktionäre Hetze zu erblicken ist.
Es kann nicht Sache eines me-
dizinischen Blattes von Bang
sein, derartige Vorkommnisse
gegen links - auszüschlachten
und so die gerade in der gleL
eben Nummer der „M. M. W.“ ge-
rügte politische Brunnenvergif-
tung zu fördern. Glaubt der
Herausgeber, durch solche
der medizinisch - wissenschaft-
lichen Weltpresse sonst nicht
geübten Schreibweise dem An-
sehen der deutschen Wissen-
schaft im Auslande , zu nützen?
Oder muß der redaktionelle Teil
der ,,M.M. Vr.“ mit den bekann-
ten reaktionär r antisemitischen
• Tendenzen ihres Verlages (J. F.
Lehmann) in Parallele gebrächt
werden? Dann müßten die uns
nahestehenden Aerzte von der
Mitarbeit und dem Bezug der
„M. M!. W.“ absehen.
Der „Sozialismus^^ der Nazi-
Fachgruppe Gesundheitswesen.
Zu diesem Thema schreibt die
letzte Nummer der „Sanitäts-
warte“:
„Die nationalsozialistische
Presse berichtet über die „Erste
Versammlung der Fachgruppe
Gesundheitsw'esen“ in Berlin,
die auf den ersten Anhieb 26
Neuaufnahmen in die Betriebs-
zeilen gebracht haben soll. Da
es den Nazis an eigenem Esprit
fehlt, machen sie geistige An-
leihen bei der Bewegung, die
sie bekämpfen. Von den Sozial-
demokraten holten sie sich die
Bezeichnung Parteigenosse, von
den Kommunisten die Betriebs-
zellenidee- und von unserer
Reichssektion den Titel „Fach-
gruppe Gesundheitswesen“. Da-
neben wird von, ihnen fortge-
setzt der Begriff „Sozialismus“
mißbraucht. In der obengenann-
ten Versammlung sprach der
-Nazi-Stadtverordnete Engel
über das Thema: „Warum ist
der Sozialismus für das deutsche
Volk eine Lebensnotwendig-
keit?“
Der Redner madite — laut ,An-
jxiiff — den Zuhörern klar, was der
deutsche Sozialismus im Gegensatz
zum Marxismus ist und -will, und
wie der nationale Sozialismus die
eehöpferische Idee einer neuen Zeit
sei. Manchen aus dem blirgerliohen
Lager, die sich bisher noch an dem
Worte .sozialistisch* stießen, und
anderen, die dem. betont .nationali-
stischen* Gedanken noch fremd ge-
genliberstanden, fiel es jetzt bereits
wie Schuppen von den Augen.
Wie der von der Nazi-Fach-
gruppe Gesundheitswesen pro-
Rundschau
pagierte „Sozialismus“ aussieht,
das hatte vor diesem Redner be-
reits der Obmann des NSD.-
Aerztebundes, Gau Berlin, „Pg.**^
Dr. Conti, gesagt:
„Nicht wlrtsuöaftldche Interessen-
vertretung, sondern fachliche Vor-
arbeit für den Gesundheitsdienst
und die soziale Gesetzgebung, Aus-
arbeitung von Vorsdilägen zur
Abänderung des derzeitigen marxi-
stischen und demoralisierenden So-
zialversicherungssystems sei die
Aufgabe des Aerztebundes.**
So wird bei dieser Konfusion
selbst der wütendste Hasser des
Marxismus, Fürst Bismarck, zu
den Marxisten gerechnet, denn
die Grundlagen des „demorali-
sierenden Sozialversicherungs-
systems** hat dieser „National-
heros** geschaffen: allerdings in
der Absicht, die sozialistische
Arbeiterbewegung zu demorali-
sieren.**
Inseratenplantage ?
Im „Soz. Arzt**, Heft 8/9 1931,
wandten wir uns in der Rund-
schau gegen die übelste natio-
nalistische Propaganda der Sa-
ni t a s - Elektr.-Gesellschaft im
Inseratenteil der „Aerztlichen
Mitteilungen“. Der Heraus-
geber, Koll. Haedenkamp,
den wir für diese Propaganda
mit verantwortlich machten,
schreibt uns dazu:
„Die in diesen Ausführungen
aufgestellte Behauptung ist, soweit
sie auf mich Bezug nimmt, unrich-
tig. Ich kontrolliere nicht scharf,
ob durch ein ärztliches Inserat
nicht vielleicht die Standesehre
verletzt wird. Ich kontrolliere viel-
mehr die Inserate in den .Aerzt-
lichen Mitteilungen* überhaupt
nicht, und ich bekomme sie vor
der Aufnahme auch nicht zu Ge-
sicht, und zwar deshalb, weil idi
mit dem Anzeigenteil der ,Aerzt-
licben Mitteilungen nicht das Ge-
ringste zu tun habe. Unter Beru-
Rundschau
lung des § 11 des Pressegesetzes
bitte ich sehr ergebenst um die
Aufnahme dieser Berichtigung.“
Wir sind erfreut zu hören,
daß Koll. Haedenkamp mit
der Inseratenaufsicht im Organ
des Hartmannbundes nicht be-
lästigt wird, sondern seine
ganze Kraft der Herausgabe
dieses Blattes widmen kann.
Was soll man aber nun von der
Aufnahme des nationalistischen
Sanitas-Inserates in den „Aerzt-
lichen Mitteilungen“ denken?
j i.
VVJ.XU UUlt WOiJUlJLU» JCUCO CtJU^6-
botene Inserat angenommen und
so eine einträgliche Inseraten-
plantage gepflegt? Oder ist es
vielleicht so, daß Herr Hae-
denkamp die Kontrolle der
Anzeigen ruhig dem für den
Inseratenteil Verantwortlichen
überlassen kann, weil er poli-
tisch mit ihm konform geht?
Interessanterweise liegt uns
— aufschlußreiche Parallele! —
ein Briefwechsel zwischen der
Anzeigenverwaltung des „Deut-
schen Aerzteblattes“ und einem
Verlag vor, in dem die Auf-
nahme eines Inserates über ein
Arztbuch, eine Materialsamm-
lung zu § 218, abgelehnt wird,
weil „die Ausführungen des
Verlages die Tendenz nicht er-
kennen lassen“ und „die An-
nahme, daß der Keferent zu
konkreten Forderungen gegen
§ 218 kommt, nicht entkräftet
ist“. Weiß auch hier die rechte
Hand nicht, was die linke tut,
oder gibt es auch hier zwei
rechte Hände?
Einfache Lösung der Aerztehot.
Es mehren sich die Fälle, in
denen der Vorstand des „Hart-
mann-Bundes“ mißliebige Mit-
glieder aus dem Bund und da-
mit aus der Tarifkassen-
praxis ausschließt.
Durch die Reihen der Kriegs-
beschädigtenverbände geht eine
starke Empörung wegen des
Ausschlusses des Dr. Joseph-
Bochum. Dieser hatte in dem
Funktionärblatt des „Reichs-
bundes der Kriegsbeschädigten“,
also einer republikanischen
Kriegsteilnehmerorganisation,
einen Artikel geschrieben, in
dem er die Kriegsbeschädigten
voi* OToHPoViT'li oTi Än
• 0 WA VJLAV/JJLV^JJl -M- J « ■ 1 ^
griffen warnt, die sie zum
Zwecke der Diagnose und Ren-
tenfestsetzung nicht über sich
ergehen zu lassen brauchten.
Joseph griff dabei diejenigen
Aerzte, die er als gewissenlos
betrachtet, scharf an. Hierauf
wurde ihm 1.) durch Ausschluß
aus dem Ortsverein die Wohl-
fahrtspraxis, 2.) durch Ausschluß
aus dem Hartmann-Bund die
Tarif kassenpraxis genommen,
3.) eine ehrengerichtliche Strafe
von 1500 RM plus Kosten auf-
erlegt, 4.) wurde ihm Reklame-
sucht vorgeworfen, da er durch
seinen Aufsatz Kriegsbeschä-
digte auf sich aufmerksam ge-
macht habe und nicht die Ver-
öffentlichung zuerst in den
Fachblättern (!) anzubringen
versucht hätte.
Dabei leistet sich das westfä-
lische Ehrengericht die Bemer-
kung, daß der Funktionärkörper
des größten Beschädigtenbundes
„eine leichtgläubige und
leicht zu beeinflussende
Menge“ sei, „die in ihrer
Mehrzahl von mindererUr-
teilskraft imd geringe-
rer Auffassung ist“. Da-
bei dürfte doch jedem klar sein,
daß gerade die Funktionäre der
ni
jira
Beschädigtenbünde von Ver-
sicherungs-; und Versprgungs-
irechtsfragen häufig und fast
selbstverständlich größere
Kenntnis haben als derzte, die
sich mit dieser Materie nicht be-
^ fassen.
' Es ist auch wichtig zu wissen,
daß Dr. Joseph sich im allge-
meinen bei seiner Kritik inner-
halb des Eahmens der Unter-
suchungs- und Behandlungsver-
fahren hielt, die von a m 1 1 i -
eher Seite, z. B. anläßlich des
Gesetzes zur Bekämpfung der
Geschlechtskrankheiten, als
nicht immer harmlos und daher
als durch die Patienten ablehn-
bar genannt sind. Durch das
Vorgehen gegen Joseph und
durch die Ausfälle gegenüber
den Beschädigtenbünden ver-
schlechtern die ärztlichen
Spitzenkörperschaften wiederum
das Verhältnis der A e r z t e zu
den Massen der Versicher-
ten. Auch die temperamentvol-
len Ausführungen des Kollegen
J. geben den Aerztevorständen
keinen Grund, die wirtschaft-
lichen Lebensnotwendig-
. k e i t e n eines Arztes in der
•heutigen Zeit völlig zu unter-
graben. Das war nicht der
Sinn des Vertrages, den die
Krankenkassen und Wohlfahrts-
ämter mit den Aerztever einen
abschlossen.
T • . •
Krankenversicherung und Wirt-
sehaftskrise.
Die fünfte Generalversamm-
lung der Internationalen
Zentralstelle von Ver-
bänden der Kranken-
kassen und Hilfsvereine hat
am 6. September 1931 in Prag
im Namen von 33 Spitzenver-
Bundschau
bänden von Krankenkassen eine
Entschließung angenommen, aus
der wir die wesentlichen Stellen
hier wiedergeben:
I
Die Generalversammlung stellt
mit Befriedigung fest, daß immer
"vreitere Industriestaaten die obli-
gatorische Krankenversicherung in
richtiger Erkenntnis ihres wirt-
Bchaftliohen und gesundheitlichen
Wertes einfiihren.
Seihst die vorgeschrittensten
Krankenversicherungsgesetze ge-
währleisten durch ihre Geld- und
Sachleistungen und durch vorbeu-
gende Maßnahjinen nur ein Min-
destmaß wirtschaftlichen und ge-
sundheitlichen Schutzes; soll die
Krankenversicherung ihren Zweck
erfüllen, darf an diesem Mindest-
maß nicht gerüttelt werden.
Die Generalversammlung erhebt
-ihre warnende Stimme und weist
die Regierung und die gesetz-
gebenden Körperschaften auf die
Gefahren hin, die aus jeglicher
■ Verminderung des den Arbeitneh-
mern gewährten Versicherungs-
schutzes .gerade im Zedtpuukte der
Krise, wo die Versicherten und die
Wirtschaft am meisten der Ver-
sicherung bedürfen, entspringen
■würden. Willkürliche Drosselung
durch zweckwidrigen Beritragsab-
bau, durch Beschränkungen lebens-
notwendiger Geld- und Sachleistun-
gen und durch Beseitigung der
Gesundheitspflege würden die wirt-
schaftlichen und die gesundheit-
lichen Gefahren der Wirtschafts-
krise nur noch verschärfen, die
Verkaufskraft der versicherten Be-
völkerung einschränken und zu
einer Vertiefung der Krise führen.
Die Krankenversicherung stellt
den Grundsatz der Wirtschaftlich-
keit voran; sie strebt eine bessere
organisatorisobe Zusammenfassung
an und fordert rationellere Gestal-
tung des ärztlichen Dienstes in der
allgemeinen Praxis als auch im
Kranikeuhause sowie Elntlastung
■von den ihr nicht zukommenden
A U.X TnT iLIxg*6Ii.
Je schwerer die Wirtschaftsnot
und' die Lebensbedingungen der
Arbeiterschaft, um so notwendiger
ist die Krankenversicherung.
Bücher und Zeitschriften
Aus der sozialistischen Ärztebewegung
Von nnserer Sektion in England
Ueber das Eesultat der jüng-
sten Wahlen in England, das so
ungünstig für die Arbeiterpar-
tei ausgefallen ist, sind unsere
Leser durch die Tagespresse in-
formiert. Zwei Mitglieder unse-,
rer „Sociaiist Medical Associa-
tion“ sind in das Parlament ge-
wählt worden, und zwar: Gen.
Dr. J. H. Williams mit rund
34 000 Stimmen (sein konserva-
tiver Gegenkandidat erhielt rd.
18 000 Stimmen) und Gen. Dr.
Alfred S a 1 1 e r mit 10 000 Stim-
men. (Der Konservative erhielt
9900 und ein kommunistischer
Kandidat 870 Stimmen.)
Die übrigen Mitglieder, dar-
unter Gen. Dr. Sommerville
Hastings, der als ein Ver-
treter unserer englischen Ge-
nossen in Karlsbad war, und Dr.
Bushnell - Plymonth sind lei-
der unterlegen.
Der Sekretär der englischen
Aerztevereinigung, Gen. Dr.
Charles W. Brook, ist Mit-
glied des Londoner Grafschafts-
rates geworden.
Neue Mitglieder des VSÄ:
Vom September bis 15. November
wurden auf genommen:
In Berlin: 16 Kolleginnen und
Kollegen; in Sachsen 1; Rheinland
1; Schlesien 1; Westdeutschland 1;
Rußland 1.
Die Ortsgruppenleitungen werden
gebeten, die Adressen der neuauf-
genommenen Mitglieder fortlaufend
an den Schriftführer des Reichs-,
Vorstandes, Gen. Fabian, weiter-
zusenden. Nur. so ist die pünktliche
Zusendimg der Zeitschrift usw.
möglich.
Beitragszahlungen.
Der VSAe. ist auf die pünktliche
Zahlung der Beiträge angewiesen,
wenn er seine Aufgaben erfüllen
soll. Berliner Genossen imd Ein-
zelmitglieder zahlen 13 RM. jähr-
lich einschließlich Abonnement, für
den „SOZ. ARZT“ direkt an den
Kassierer Dr. F. RosenthaL
Bin. -Wilmersdorf, Kaiserallee 175
(Postscheckkonto 139). Die Kas-
sierer der Ortsgruj^en werden
ebenfalls um schnelle Abrechnung
gebeten.
Zuständig für alle Zahlungen
für den „S o z. A r z t“ (Abonne-
ments, Pressefonds usw.) ist:
Minna Flake, Berlin-Wilmers-
dorf, Waghäuseler Str. 19 (Post-
scheckkonto Nr. 74 915).
BÜCHER UND ZEITSCHRIFTEN
Allgemeine Medizin
Die Entwicklung des
deutschen Gesun d h eite-
Wesens. Ausstellung der Reichs-
regierung auf der internationa-
len Hygieneausstellung Dresden
1930/31. Berlin l93l, Arbeits-
gemeinschaft sozialhygienischer ,
Reichsfachverbände.
Das Material der ungemein an-
sprechend organisierten Abteilung
der Reichsregierung auf der Dres-
dener Ausstellung wird hier in
Buchform mit . zahlreichen bild-
lichen Darstellungen unterbreitet.
Besonders wertvoll für rasche
Uebersicht über die verschiedenen
Zweige des Gesxmdheitswesens und
seiner Entwicklung in Deutsch-
land ist die synchronistische Ta-
belle, die die Angaben des Rund-
modeUs aus dem. Empfangsraum
der Ausstellung wiedergibt. Wenn
Bücher und Zeitschriften
318
auch manche Einzeldaten der Be-
richtigung bedürfen, so ist doch
die' Schrift für den überaus auf-
schlußreich, der sich in Kürze
über das unterrichten wiH. was auf
dem einen oder anderen (iebiet der
eozialmedizinischen Tätigkeit im
Laufe der Jahrzehnte erreicht
worden ist. Hodann.
Die Aerztin, Monatsschrift des
Bundes Deutscher Aerztinnen,
Berlin W. Verlag: F. A. Herbig.
Aus der November-Nummer:
Dr. Eva Hensel: Die bisherige
Durchführung des Reichsgesetzes
zur Bekämpfung der Geechlechts-
krankheiiten; Dr. Poli Garnier: Die
Rolle der Aerztin in den exotischen
Ländern; Dr. Hegemann-Wandrey:
Gedanken zur Abschaffung der
Todesstrafe; Dr. Wassertrüdinger:
Intema/tionaler Aerztinnenkongreß
in Wien.
R, udolfThiel: „M ä n n e r
gegen Tod und Teufel“,
1931. Paul Neff Verlag, Berlin.
413 Seiten.
In diesem Buch schildert ein
Nichtarzt in einer frischen Darstel-
lung das. Leben großer Aerzte, der
Pfadfinder der Medizin. Da hören
wir von dem Papst der Homöopa-
thie, Samuel Hahnemann, von
dem Bauern Prießnitz, der die
Wasserkur erfand.' Das wechsel-
volle, an Enttäuschungen reiche
Leben des Ungarn Ignaz Sem-
m e 1 w e i is wird geschildert, wie
er den 'unermüdlichen Kampf gegen
das Kindbettfieber geführt und
selbst .an einer schweren, bei einem
kleinen Eingriff erworbenen Sep-
sis zugrunde geben mußte. Lesens-
wert ist besonders auch die grö-
ßere Abhandlung über Rudolf
V i r c h 0 w. Da hören wir, wie die-
ser Meister vor miehr als sechs
Jahrzehnten Anschauungen vertrat
und zu Papier brachte, die vielen
seiner 'Kpllegen von heute noch zu
revolutionär und zu „politisch“ an-
muten. Verlangt er doch bereits
damals schon als beste Arznei
soziale Reformen, fordert
er doch zum Entsetzen der Behör-
de in einer neuen Zeitschrift „Me-
diziniisc'be Reform“ .ein ReichsjGe-
sundheits - Ministerium, Hygiene-
Unterricht in allen Schulen, Kran-
kenkassen, Invalidenrente, Acht-
stundentag, Schutz für den geistes-
kranken Verbrecher. Das Buch, das
noch von Bergmann, Helm-
holtz, Pettenkofer und vie-
len anderen handelt, sei unseren
Lesern zur Lektüre empfohlen.
E. F.
Leitfaden für die Bear-
beitung der Strafsachen
gegen Kurpfuscher
durch die Polizei- und
Anklage bchör. den. Heraus-
gegeben von der Deutschen Ge-
iCiQI Q.'P f T^o1r‘i'mT>HpTi'n<T
Kurpfuschertums. 1. Aufl. Askle-
pios Verlag G. m. b. H., Berlin-
Wilmersdorf, Motzstr. 36. 1931.
Wer sich mit den einschlägigen
Bestimmungen vertraut machen
will, findet in dieser kurzen Bro-
schüre eine gute „und klare Ein-
leitung. Mit dem Inhalt werden sich
aber sozialistische Aerzte kaum
eiu'verstanden erklären können. Es
kommt nicht darauf an, Kur-
pfuscher, die abtreiben, anzuzeigen,
sondern den Kampf gegen den § 218
durchzuführen. Auch den Unfug,
daß Gegenstände zu unzüchtigem
Gebrauch, „z. B. empfängnisver-
hütende Mittel“, nicht angepriesen
werden dürfen, wird wohl kein so-
zialistischer Arzt unterschreiben.
Auch interessiert uns nicht, ob Be-
leidigung von Aerzten und Medizi-
nalbeamten strafbar ist oder nibht.
Im übrigen ist der Referent der
Meinung, der er auch kürzlich in
einem "Vortrag im „Verein Soziali-
stischer Aerzte“ Ausdruck gegeben
hat, daß in einem kapitalistischen'
Staate Kurpfuscher nicht bestraft
werden sollten, sou'dern daß er in
ihm eine naturnotwendige Erschei-
nung ist, mit der erst 'ein Sowjet-
staat fertig werden 'kann.
Boenheim.
‘Dr. F. von, Gutfeld: ., An-
zeig epfli'cht bei über-
tragbaren K r a n k h e i t e n.“
Verlag Gustav Fischer, Jena.
Preis 0,80 RM.
Ueber die Anzeigepflicht über-
tragbarer Krankheiten bestehen
noch keine einheitlichen Reichs-
bestimmungen, sondern abweichende
Bücher und Zeitschriften
A. B r a u c h 1 e : „H y P o s e u n d
A u t 0 'S n g g* e s t ä o n.“ Verlag
Ph. Reelam. Universal-Bibliothek.
Ein Abriß der Geschichte der
Psychotherapie führt Txns von Le-
nohle und Mesmer bis zu Freud
und Adler. Methode, Sinn und Tech-
nik der verschiedenen psychothera-
peutischen Verfahren -werden pla-
stisch dargestellt, so daß das Büch-
lein nicht nur für den A.rzt, sondern
auch für den gebildeten Laien eine
geeignete Einführung bildet.
Se^iualhagen
Kabale und Liebe. lieber
Politik und Geschlechtsleben, von
Richard Linsert vom Archiv für
Sexualwissenschaft. Man - V erlag,
Berlin W 15.
' Dieses großangelegte, umfang-
reiche Werk Vill aufzeigen, wie
Sozialpolitik
und Wohlfahrtspflege
„Praxis des Arbeits-
schutzes und der Gewer-
;b e ih y g i e n e“ von Hermann
Eibel (teohnischer Teil), Dr.
med. K. Meyer- Brodnitz (hy-
gienischer Teil), Ludwig Prel-
ler (arbeitsrechtlieher Teil).
So’eben in der Verlagsgesell-
schaft des ADG-B. erschienen,
mit einem Vorwort von Th.
Leipart. (233 Seiten.)
Das Buch, ganz auf prah;tische
Bedürfnisse eingestellt, soH Kennt-
nisse von dem Recht des Arbeits-
schutzes, insbesondere aber von
den technischen und gewerbehygie-
nischen Erkenntnissen vermitteln.
Diesen Zweck erfüllt das Buch.
Leicht faßlich, lebendig, allgemein-
Gesetze in den einzelnen Ländern.-
Grundsätzlich soll der Arzt bei
der .Seuchenverhütung das Gemein-
wohl höher stellen, als das Wohl
des einzelnen. Daß die Leistung
einer solchen Anzeige dem Arzt
nicht honoriert wird, ist ein Feh-
ler, da die Meldefreudigkeit der
Aerzte dadurch erhöht und die
Seuchenbekämpfung dann erleich-
tert wäre. Eine alphabetische
Uebersicht über die Meldepflicht der
einzelnen Seuchen in den verschie-
denen Kleinstaaten stellt den Wert
der Broschüre dar. F. R.
A. Herrmannsdorfer:
„lieber Wunddiäteti k.“
Verlag G. Fischer, Jena. Preis
geheftet 2 RM.
Tierversuche zeigen, daß Eiweiß-
mast die Empfänglichkeit gegen-
über Infektionen steigert, w^rend
Fett und Lipoide den Körper gegen
Infektionsausbreitung schützen. Die
Infektionsbercitschaft steht im Zu-
sammenhang mit dem Wassergehalt
der Gewebe. Durch kochsalzarme
Nahrung kann die Ausbreitung
mancher Krankheit verhindert, bzw.
diese beseitigt werden. Zur Förde-
rung der Wundbehandlung wird
saure Kost empfohlen, für die ge-
naue Speisezettel beigefügt werden.
F. R.
stark die Politik vom Geschlechts-
leben der handelnd'en Personen be- j
einflußt wird. Ein ungeheures /
Quellenmaterial wird aus der Vor- i
gangenheit zusammengetragen. Viel ;
Interessantes und Unbekamites wird I
vor dem Leser, der von der Fülle :
der Details bisweilen erdrückt wird,
aus'gebreitet. Sehr instruktive Bil- ;
der, nicht nur Porträts, .Toten- 1
masken und Fiilmbilder, sind eine i
gute Ergänzung des Textes; auch j
die Karrikatur ist -gut vertreten, j
Trotz mancher überflüssigen Wie-
derholungen ist das Buch, das zum
Schluß die Forderungen einer ver-
n-iinfti'gexi Sexualrefoiim formuliert,
sehr lesenswert. F.
Morph intismus und Sexua-
lität von Dr. Fritz M. Meyer,
Sonderdruck aus der „M^iz.
Welt“ Nr. 39, 1931.
„S 0 z li a 1 e Medizi n“, Wissen-
schaftliche Monatsschrift für So-
z ialversicherungsmediz in. B erlin-
Charlottenburg. Aus dem Novem-
ber-Heft:
Prof. Henkel: Myom des Uterus;
Dr. .M. Bauer: Die Heilbehandlung
nach dem Reichsversorgungsgesetz;
Prof. Kreutz:. Die soziale Bedeu-
tung der Fußerkrankungen; Dr.
Eriäi Levy: Aerzteschaft und Kar-
zinombekämpfung.
Bücher und Zeitschriften
v«P8tändlioh 'geschriehen^ bei den Ahstürzem an den vom
sichtUch: Btichvrorte «m Bande der Schleifw,asser ständig nassen Hän-
Söite, gutes Sachregmter, Tabellen den entstehen und als .BftTarfigir rfl.TiTr -
^her^Arheitszei Schutz- beiten gewertet werden. Daß neben-
AlTtrTAl n11^ f) V •
bj0stÜ3imtmgen für einzelne Ge-
weAe u. a.
Als. Einfühi^g in die Präzis
d^. Arbeitsschutzes geeignet für
Gewerkschaftsfunktionäre rmd Ar-
beitnehmer. L. B.
Ea.rl Hauck:. Die gesund-
heitlichen G e f a h r e n d e r
.Glasschleiferei, „Arbeiter-
schutz“, Wien 1931, Heft 19.
iZu den gesundheitlich .gefährdet-
sten Berufen gehört zweifellos die
Glasschleiferei. Gerbis stellte bei
3500 von ihm beobachteten Arbei-
tern als durchschnittliche Lebens-
dauer 43,95 Jahre fest. Die Todes-
ursache war in 40 Proz. der Fälle
Tuberkulose. Wenn man die Arbeit
und ihre Gefahren kennenlemt,
die K. Hauck im ersten Oktoberheft
des „Arbeiterschutz“, dem Organ
des Hauptverbandes österreichischer
Arbeiterkrankenkaseen, ' schildertl,
so erscheinen di ese ungeheuerlichen
2^hlen nur zu verständlich.
' Schwerste Schädigungen verur-
sacht. der Schleifstaub. Er ist so
fehl, ^daß er sich an allen Gegen-
ständen im Raum festsetzt und in
schlecht eingerichteten Schleifereien
in langen Zapfen und ganzen Vor-
hängen von den Transmissionen,
Ledtungsdrähteh und vorspringen-
den K^ten herabhängt. Die Fein-
heit -dieses Staubes bewirkt natür-
lich . massenhaftes Einatmen. Seine
Schädlichkeit ist besonders groß,
weil ; seine Zusammensetzung die
kombdnierte Wirkung allen mög-
lichen Mineralstaubes verursacht.
Das Resultat ist schou nach weni-
gen Berufsjahren im günstigsten
Falle; eine chronische Lungenent-
zündung, die soigenannte Kalk-
lunge...
Durch die immer ■ schärfer wer-
dende Akkordarbeit erhöht sich der
Bruchprozentsatz zwängsläufig im-
mer, mehr, und die Tatsache, daß
manche- Arbeitgeber 1—3% Toleranz
für Bruch gewähren, .ist kein Pfla-
ster V auf die Schnittwunden und
kein Ausgleich für. die Haut- xind
Nägelerkrankungen,. sowie rheuma-
bei alle P\iß- und Bednleiden bei
den Schleifern, die dauernd stehen
mrüssen, zu finden sind, ist wohl
selbstverständlich.
Diese Tatsachen sind sicherlich
nicht erst jetzt bekannt geworden,
und doch konnte sich noch 1908 das
Handbuch der Arbeiterkrankheiten
von Weyl folgende Bemerkung
leisten:
„Viele Glashüttenärzte sind der
Ueherzeugung, daß an den ungün-
stigen Gesundhedtsverhältnissen der
Glasarbeiter außer den Schädigun-
gen im Beruf besonders die unver-
nünftige Lebensweise der Glas-
arbeiter schuld' . ist. Die meisten
Glasarbeiter veidiieneu einen ver-
hältnismäßig sehr hohen Lohn, ein
Reinverdienst von 3000 Mk. im Jahre
ist bei T.afelgiasmachermeistern
nichts Seltenes. Dieser hohe Ver-
dienst verleitet die Leute nicht
selten zu Spiel- und Trunksucht,
und es ist durchaus begreiflich,
daß die_ Gesundheit leiden muß,
wenn diese Leute, welche den
ganzen Tag über schwer arbeiten,
auch in der Nacht ihrem Körper
nicht die nötige Ruhe gönnen.“
So machen sie es immer. Die Fol-
gen der menschenunwürdigen Ar-
bedtsbedinigungen sind für sie nur
ein Bewei!^ mehr für die moralische
B[altlosigkeit des Proletariats, und
die beste Therapie scheint ihnftTi
die Senkung des „überhöhten Lohn-
niveaus“ ins Bodenlose zu sein.
Erwin Brauner.
Die „A r b e i t e r w 0 h 1 f a h r t“
bringt in dem Heft 20 (Oktober
1931) einige bemerkenswerte Bei-
träge. Stadtrat Dr. Miohel, Frank-
furt am Main; untersucht in einem
längeren Artikel die Auswirkun-
gen der Notmaßnahmen in der
Wohlfahrtspflege. Er kennzeichnet
die schwierige Lage der Gemein-
den, in die' sie nicht zuletzt durch
die Finanzpolitik dfö? ehemaligen
Reichsbankpräsideuten Schacht ge-
bracht wurden, kritisiert aber
scharf die Sparverordnungen, die
die- Senkung der „Richtsätze“ in
uiö oeuaung aer „jctientsatze
sche.a Beschwerden, die hesondersder Wohlfahrtspflege bestimmen.
I
Bücher und Zeitschriften
Diese Senkungen sind jedenfalls
hei der Berlicteichtigung des Miet-
hedarfs und hei der Durohflihrung
gesundheitsfiirsorgsrischer Maß-
nahmen untragbar. Neue, •weit-
gehende Notstände wliri^n die
Folgen sein.
Ueber „Kommunale Finanznot
und öffentliche Wohlfahrt“ sohreiht
der Berliner Stadtkämmerer Brrmo
Asch. In der Umschau besprächt Dr.
Hanna Hellinger die Erwerbslosen-
speisungen in Form genossen-
schaftlicher Hilfe an Hand der
praktischen Erfahrungen in Frank-
furt am Main. B.
Das Alkoholverbot in Ruß-
land während Krieg und
ßevolutd on. Von Dr. Leopold
Kem-Wien.
Der Verfasser, der jahrelang als
Krdegsgefangener in Rußland lebte,
bringt in einem Artikel des Or-
gane des Arbeiter - Abstinenten-
bundes in Oesterreich, „Der Ab-
stinent“ (Okt. 1931), zu dem viel
umstrittenen Thema wertvolles Ma-
terial.
Administrative und öko-
nomische Probleme aus
der im Krankenhaus tä-
tigen Arbeiter- und An-
gestelltenschaft. Von Paul
Levy. Nosokomeion 3/1931.
Bisher viel zu ■wenig beachtete
Fragen der Gesundheitsversorgung
im Krankenhaus rollt der Verfas-
ser hier auf. Das nicht pflegerisch
vorgebildete Personal beeinflußt in
hohem Maße die Wirtschaftlich'keit
des Anstaltsbetriebes, wobei Le-vy
mit vollem Recht die Erzeugung
ideeller Güter zu den aktiven
Etatsposten gerechnet wissen will.
Daß hier noch vieles im argen
liegt, beweisen Zahlen, die der
Verfasser bringt; De!r Prozentsatz
der Ju^ndlichen •unter 16 Jahren
ist beim Hauspersonal in allen
Ländern recht hoch (Deutschland
6 Prozent, Frankreich 9 Prozent,
C^sterreich 12,5 Prozent!), und
die Gefahren für Kranke und Per-
sonal wachsen zwangsläufig mit
diesem Prozentsatz. Ebenso groß
sind die Gefahren, die durch die
fast immer ungen^iigende Schul'ung
des gesamten Haus- und Stations-
reinigungspersonals entstehen.
Das ' 'Problem der Schaffxing
eines geeigneten -Nachwu^ses für
den Krankenpflegedienst gewinnt
hierbei neue Bede-ütung. Dem hier-
für geeigneten Hauspeisonal die
Möglichkeit des Aufstiegs in den
Pflegeberuf zu bieten, vrtirde nicht
nur die A.rbei'tsfreudigkeit heben,
sondern auch die Ans^tal^tsverwal-
tungen, die hierdurch gut einge-
aibeitetes Personal bekämen, vor
Mißgriffen bei der - Einstellung
anstaltsfremden Pflegepersonals
schützen.
Daß in bezug auf Verbesserung
der Arbeitsbedingungen und der
hygienischen Versorgung des übri-
gen Krankenhauspersonals noch in
vielen Ländern viel zu •fcun ist,
wird durch Zahlen und Angaben
objektiv belegt. Das Vorhanden-
sein gesetzlidier Grundlagen für
die Personalvertretungen, die zur
Zeit nur in Rußland, Oesterreich
und Deutschland bestehen, erscheint
als Vorbedingung für ein reibungs-
loses Zusammenarbeiten aller Glie-
der der Familie Krankenhaus.
Erwin Brauner.
Zeitschrift für Voiksauf-
klä.rung gegen Kurpfu-
scherei und Heilmittel-
scb Windel. 5. Jahrg. Nr. 10.
Berlin N 58, Eberswalder' Str. 30.
Verschiedenes
„Die Denkmethodeu und
i h r e G e f a h r e n“, von Dr. med.
Vera Straßer, Zürich. Preis
20 Mk., in Ganzleinen geh. 22 Mk.
Georg Thieme - Verlag, Leipzig.
Vera Straßers Werk gibt die
Grundlage einer neuen L^re von
der Seele, versucht mit Hilfe einer
auf strenge -wissenschaftliche
Selbstzucht gegründeiton, jedem Re-
lativismus abholden MeÜiode die
absoluten Gesetze aufzuCinden,
nach denen sich der Ablauf des
gesunden und kranken, normalen
und abnormalen Seelenlebens regelt.
Die Denkmethoden und ihre feh-
lerhafte Benu-tzung sind bedeu-
tungsvoll nicht nur für den Psy-
chologen und Psychotherapeuten,
sondern auch für den Philosophen,
Bücher und Zeitschriften
den Soziolegen, kurz für alle die-
ienig^, die in einer den Menschen
enthaltenden Wirklichkeit nach
Wahrheit forschen. Die Verfasserin
untersucht nicht nur die verschie-
denen Arten des Denkens an sich,
ihre Besonderheiten hei deoji Kinde,
der heranwachsenden Jugend, der
Frau, den psychisch Erkrankten,
sondern geht der An-wendung der
Denkmethoden in Politik, Wirt-
schaft, Wissenschaft nach, nicht
ohne bemerkenswerte Prägungen
und Erkenntnisse zu gewiinnen.
P a u 1 L e V y.
Marx und. Engels als Frei-
denker in ihren Schrif-
ten. Ein Hand- und Kampf es-
'buch. Zusammengestellt und ein-
geleitet von Angelica Bala-
b an off. Urania-Freidenker-Ver-
lag, Jena 1931.
Niemals war der Kampf gegen
den religiösen Aberglauben, der die
ausgebeuteten Massen vom revolu-
tionären Handeln ablenkt, notwen-
diger als heute. Als Wegweiser für
das klassenbewußte Proletariat und
als nützliche Waffe der Aufklä-
rung über das Wesen der Religion
und dten Machtapparat der Kirche
ist diese Sammlung der Marx -En-
gels-Zitate vorzüglich. Wir wün-
schen der Schrift weiteste Verbrei-
tung über die vorliegende zweite
Auflage hinaus. F.
Im Oktober-Heft der „S o z i äl i -
etisch-en Bildung“ (heraus-
gegeben vom Reichsausschufs für
sozialistische Bildungsarbeit, Berlin
SW 68) behandelt Dr. V. Engel-
hardt in einem Artikel „Erwerbs-
losenschulung“ die Frage der be-
rüfliehen Fortbildung der erwerbs-
losen Jugendlichen. Ein Artikel
von Dr. iM. L a n g e, „Hegel und der
Sozialismus“, ist dem 100. Todes-
tage Hegels gewidmet. J. Quadt
berichtet über die Kinderfreunde-
arbeit, die von katholischer Seite
betrieben wird.
H. C. B. Sommer und A. W.
Bauche: „Gesellschaft
und Wirtschaft“-Kalen-
d o r 1 9 3 2. 64 Bildtafeln in Zwei-
und Dreifarbendruck (Größe 18
mal 24,5 om). Preis 2 RM. E.
Laubsohe Verlagsbuchhandlung
G. m. h. H., Berlin W 30.
Der vorliegende Jahrgang 1932
des „Gesellschaft und Wirtschaft“-
Kalenders vermittelt im täglichen
Anschauungsunterricht Wirtschafts-
kunde und Gesellschaftswissenschaft
in einer Mannigfaltigkeit und ein-
prägsamen Darstellung, wie sie
sonst nicht geboten wird.
Von den behandelten Themen er-
wähnen wir hesonders: Die Welt-
karte des Kapitalismus, Die Welt-
landwirtschaftskrise, Die Umsätze
der deutschen Volkswirtschaft, Die
deutsch-'französische Wirtschafts-
verflechtung, Die Dividenden der
Aktiengesellschaften in Deutsch-
land, Der Anteil der Löhne an den
Produktionskosten, Die Wohnungs-
verhältnisse in Deutschland, Die
sozialen Baubetriebe, Die Macht
des Zentrums, Die Kriminalität in
Deutschland, Die Arbeitslosigkeit
in Deutschland 1930/31, Die inter-
nationale Gewerksehaftshewegung,
Der Zentralverband deutscher Kon-
sumvereine.
So wird auch der „Gesellschaft
und Wirtschaft“-Kalender 1932 sich
neue Freunde erwerben. Er ist ein
Lexikon, das als ein systematisches
Sohulungsmittel im Sinne einer mo-
dernen Auffassung nur zu empfeh-
len ist. .
Slowjetkultur im Aufbau.
Informationsbulletin der Gesell-
schaft für kulturelle Verbindung
der Sowjetunion mit dem Aus-
Lande (WOKS) Nr. 6/7.
Aus dem Inhalt; Zum 14. Jahres-
tag der Oktober-Revolution; A. Bo-
lotow: Die gigantischen Neubauten
der UiSSl^ D. Awksentiewskij: Die
Volksaufkläruug in der USSR; Die
Entwicklung der öffentlichen Er-
nährung; Das Verlagswesen in der
Sowjetunion.
Briefkasten
A. H. Dänemark: Sie verlan-
gen, daß die sozialistischen Aerzte
sich die Forderung zu eigen ma-
chen : „Sohwangerschaftsunterbre-
ohung nach wissenschaftlicher und
sozialer Indikation darf nur iment-
geltlich in einem öffentlichen itran-
kenhaus" von einem ausgebildeten
Ohirurgen oder Gynäkologen vor-
genommen werden.“ Diese Forde-
rung ist für die heutigen Verhält-
Therapeutische Notizen
$
misse zu eng begrenzt und ■würde
die sachgemäße Interruptio in praxi
für die Proletarierin unmöglich ma-
ehen. Die Frage liegt vielmehr so:
Wird die Schwangerschaftsunter-
brechung durch den Arzt nicht
mehr bestraft, so liegt es natur-
gemäß im Interesse der Aerzte, ihre
Ausführung richtig und igründlich
zu erlernen, der Ausbeutung der
proletardsohen Frau wäre durch die
Zulässägkcit des Eingriffes ein ßie-
gei vorgeschoben, und di© Interrup-
tion — auch aus sozialer Indikation
— müßte sehr schnell Kassenlei-
stung werden.
323
Genosse C. J., Lima. Wir freuen
uns, von Ihnen zu erfahren, daß
es auch, in Peru sozialistische
Aerzte gibt, die den Anschluß an
die in Karlsbad gegr-ündete Inter-
nationale Vereinigung wünschen.
Wir erwarten Ihre weiteren Nach-
richten und hoffen auf enger© Veir
bindung mit den peruanischen Kol-
legen und G-eno'Ssen.
Auf viele Anfragen. Wiederholt
weisen wir darauf hin, daß der
Beitrag von 13 RM für Assisten-
ten, Jungärzte und Studenten her-
abgesetzt werden kann.
Therapeutische Notizen
(Ohne Verantwortung der Redaktion.)
Von Prof. Bohrisch, Johannstädter Krankenhaus, Dresden, ist kürzlich
eine interessante Arbeit, welche namentlich die chemischen und physika-
lischen Eigenschaften, Zus.ammensqtzungen und Wirkungsursachen von
Moorbädern und Moorhadeextrakten untersucht, in Nr. 67
der „Pharm. Zeitung“ erschienen.
Ausgehend vom natürlichen Moor, das außer geringen Mengeu von
Salzen, bei denen besonders die Sulfate eine Rolle spielen, an organischen
Substanzen vor (allem Humussäure enthält, dann aber auch andere
Säuren, wie Ameisensäure, Elssigsäure und Harzsäuren, kommt Prof.
Bohrisch auf die künstlichen Moorbäder zu sprechen, und zwar solche,
die durch Extraktion der Moorerde gewonnen werden und reine Kunst-
produkte. Besonders eingehend aber hat er die Salizyl-Moorextrakthäder
„Salhumiin“ dier Chem. Techn. Gesellschaft in M-ünchen und „Salimor“ der
seit Jahrzehnten bestehenden Spezialfabrik für Arzneibäder Li-il-Werke,
Dresden, untersucht.
Die Heilwirkung der Moorbäder sei in. den physikalischen, aber auch
in den chemiischen und physikochemischen Eigenschaften der Moorhade-
miasse zu suchen. Die physikalische Heilwirkung der Moorbäder beruht
auf der höheren Konsistenz und der hierdurch bedingten geringen
Wärmekapazität.
Die chemische Wirkung der Moorbäder wird in der Hauptsache durch
die Humussäuren bedingt. Außer diesen wirken auch noch die löslichen
Aluminiumsalze und hei den mineralischen Moorbädern die löslichen
Ferrisalz© als Adstringentieu. Auch die saure Reaktion der Bäder, die
teils -von der Schwefelsäure, teils von Essig- ■und Ameisensäure her-
rührt, spielt bei der chemischen Wirksamkeit eine nicht unwesentliche.
Rolle. ■
Ein© sehr glücklich© Kombination von wirksamen chemischen Be-
standteilen der Moorerde und von Salizylsäure stellen die beiden aben-
erwähnten Salizylmoorextraktbäder, Salhumin und Salimor der dur^
ihre vorzüglichen Sauerstoff- und Kohlensäurebädier bekannten Li-il-
Werk© dar. ■
Einzelpreis 0,50 RM, Abonnement jährlich 4,50 RM, vom Verlag (Dr. M. Fd a k e),
Berlin-Wilmersdorf, Waghäuseler Straße 19 (Postscheckkonto: Berlin Nr. 749152. M i t-
g i i e d e r erhalten die Zeitschrift unentgeitiich. rür die Scurifüciiung bestimmte ZuEchrlftcn
sowie Rezensionsexemplare sind zu richten an Dr. E w aldFabian, Berlin-Wilmersdorf,
Hohenzollerndamm 191. Verantwortlich für die Redaktion: Dr. Ewald Fabian. Druck:
A. Janiszewski QmbH., Berlin SO 36, Elisabethufer 29; Tel.: F l Moritzplatz 5471.,
Für Inserate: M. Wittenberg, W 15, Lietzenburger Straße (4; Tel.: J1 Bismarck 5173.
Postscheck-Konten: Berlin 40054; Prag 501347,
Diesei Buch : ■ ■ •’
^ 'gibt' zum ersferi',.M'aIe eine historisch-
em a te rio i t s t i s cH e' -Ge s d rrVtd QT;S t e 1 tu n g
des Judenproblems, in' allen "'sei.ne'n
.Erscheinungen.- Es untersucht den"Ur-
'sprung des J ud, e^^tUms und' erklärt
gus ihm .sein'e.-Geschlch'te sein
•gesetzm.ößiges -Ende.-
Vom: Ursprung des Judentums bis
' zu seinem, neue>Tdben.''feDge.nde;h
Ujiterga-ng'-führt ein gewo-ltig.er, ge-
r Q diiniqer Weg. E 'r~ist' in diesem
Buch gezeichnefworden.. Dieses Buch
■■ist erstmalig ■'
j 'Dem -Werk.: ist ‘feine prot-oko',Udrische
-Reportage über die Reise des.Autors
d u r c h di e jü d isch en S i edi unqen . in '
der UdSSR beigegeben;- D.er Autor
■ bereiste diese Siedlungen von der
Kri m' bis zum, Stillep Ozean. _
S38 Seiten, -5 Karten ,.
, b r c s f„h . R M: 4 . 5 Opt e in e nl R M- 6.5 0 - . -
’*3SVT»
VE RI AG FÜ ^ LITE RÄLUi?
,U Ni.-D’P O-Ll'TI K.' ■ ' ■
WIEN / B^R-L'IN : '
Jer Säzialisnsdis
Zeitsdirift des Vereins Sozialist' scher Arzte
Geleitet von E. Simmel und Ewald Fabian
Aus dem Inhalt der 0 k t o b e r-Nummer :
An die Berliner Aerzteschaft / Kammer-
wahlen im Reich / Zur Zahnärztekammer-
wahl 1931 / Mieczyslaw Eostein t. Julian
Marcuse-München / Die Not der Junzärzte.
Dr. Franz Heimann / Die sexuelle Frasre in
England. Dr. Norman Haire-London / VI. In-
ternationaler Aerztinnenkongreß in Wien.
Isa Strasser / Alfred Qrotiahn über ..Ence-
nhaiitis nach Schutznockenimofung“ / Von
der Universität Berlin / Brotnot und Not-
brot als sozialhygienisches Problem. Dr.
Ladislaus Pikler-Budanest / Rundschau /
Aus der sozialistischen Aerztebewegung /
Bücher und Zeitschriften.
Preis des Heftes OdSO RM
Bestellungen durch den Verlag
Dr. M. Flake, Berlin-Wilmersdorf,
Waghäuseler-Straße 19
äUUam
der JUHeHcr-
WohifahrfsschBle
mit
Schwestern exa men
SDIhf
vormittags Stellung
als Sprecnstunden-
hilfeoder ähnliches.
Qefl. Angebote an
die Redaktion des
„Soz. Arzt“
lllllllll-
QJevein Sozialistischer ^rzte
besweeki den Zusatnrnenstshluss aller sozialisU-
sehen Jlerzie, unabhängig oon ihrer Zagehörigkeii
za einer der sozialisiisehen J^arfeien, Er nimmt
Stellung zu allen, das Jieil- und (Gesundheits-
wesen betreffenden fragen vom sozialistischen
Standpunkt aus. Er will (Gesetzgebung und
Verwaltung in Staat und G[emeinde in seinem
Sinne beeinflussen. Ebenso will er die sozia-
listischen JRarlamentsfraktionen und die Jlr-
beiteror^anisationen in allen sozialhj^ienisehen
JPragen beraten. — JOer Verein erstrebt eine
wirkliche Zusammenarbeit oon c^rzten und
V e f Sicherangsträgern im JOienste der Volksge-
sundheit. Er will das Verständnis für sein Jiaupt-
ziel, die Sozialisierung des Jieilwesens,
in der Ärzteschaft und in der Öffentlichkeit
fördern und die Verbindung gleichgesinnter
Organisationen im In- und Ausland enger ge-
stalten — cMiiglieder können Ärzte und
Ärztinnen werden, die sich zum Sozialismus
bekennen. Studenten und Studentinnen der
(Medizin können als ausserordentliche (Mitglieder
aufgenommen werden. cDer (Beitrag ist auj
13 M. jährl. (inkl. Zeitschrift) festgesetzt, er kann
auf Äntrag herabgesetzt oder erlassen werden
an6 an De. Ewald Fabian, Beelin-Wilmersdori, Hohenzolleenöamm 191, einsenden f
*) Ich trete dem „V. S. Ä/* als Mitglied bei
(Mitglieder erhalieri6ieZeits(hnft,DerSozialistische Arzt' gratis)
*) Ich bestelle hierdurch die Monatsschrift
„Der Sozialistische Arzt**
(Bezugspreis jährlidi ^,50 Reichsmark inkl. Porti)
Name:
Ort:
Wohnung:
V Nicht Zutreffendes ist zu streichen
Die
l^llbähne
Seil 25 Jahren
4
Seil 25 Jahren
sitzt sich „Dil Wiltb Ohne“ fSr die Wahrheit eia und
isgt tii 'zhne ROckiicht au.r Perionen und Parteien
Seit 25 Jahren
dient„Dii Weltbahno'Mm Sinne ihm BegrDnders Siegfried
Jacobtohn allem, was ale fOr gut, ichBn und wahr hSIt
schreiben die besten Schriftstellar fOr den immer
grSDer werdenden Leserkreis dar roten Hefte
Vier Wathen hastenlas
erhaltsn Sie „Die WeltbDhni", wenn Sie unter Hiazufflgung von 20 Pf. Porto In Briefmarken
dieien Abschnitt ausgefOllt an den Verlag der WeltbOhna, Charlottenburg, Kactstr. tS2 senden
Name :
ZA/Y- W€QKE
itvrKM»
tMt/in- Msa -m*«
MfspeH'ftts
Echte Substitutionstherapie durch
Salimor
Saiicyl-Moor-Extrakt- Bad
enthält neben Salicylsäure die ■wirksamen
Prinzipien (Humussäuren) des nativen
Moors in zuverlässiger Dosierung, erfüllt
die Forderung der ökonomisch.Vcrordnung
Greift Haut, Wäsche
und Wannen nicht an
Literatur u. Arztemuster etehen auf Wunsch
gern zur VerfOgunal
ca
Sanitätsdepot Paul Brückner |
Leipzig -West 32
Fabrikation und Großhandlung von Verband- und Instrumentenschränken
Vollständige Einrichtung für Sprechzimmer und Krankenhäuser
Instrumente für Chirurgie, Anatomie, Elektrotherapie aller Art, Rekordspritzen
fßr jeden 2v/eck. Sterilisierapparatc, Höhensonnen, V erbands-
stoffe, medizinische Glas- und Gummiwaren
Zentraleinkaufsstelle für Ärzte und Krankenhäuser
Bitte Preiskatalog S. 931 einholen — Fachmännische Bedienung